notiz

ich hatte als einen wiederholbaren ausstellungstitel bereits benutzt „ich kann mich einfach nicht mehr konzentrieren“. eben beim treppaufsteigen fällt mir ein „tägliches denken“ wäre auch schön. nur mal so als notiz für mich hier.

cdu – dumme kuh

Ich muss zugeben, dass ich mich bei beiden Texten ein wenig erschrocken habe. Das Land, auf das wir wieder stolz sein können. Ich bin stolz, ein … zu sein? Nein, nein, auf das Land, hör‘ doch genau hin. Und endlich wollen wir auch Recht und Ordnung wieder durchsetzen. Stimmt, wir lebten die ganze Zeit in einem der schlimmsten Schurkenstaaten überhaupt, gleich hinter Argentinien, Nord- und Südkorea, Russland und wie sie alle heißen. Endlich endlich kann ich mir demnächst wieder sicher sein, dass mich der Zug pünktlich zur Arbeit bringt, ohne dass ich am Vortag dem Schaffner ein Bakschisch zustecken muss. Der Zug nach Saarbrücken um 18Uhr40 fällt heute leider aus, Grund dafür ist eine plötzliche Erkrankung des Personals. Und die Nebenschlagzeile „Wieder nach vorn“, als wäre es unter 16 Jahren CDU-Herrschaft jemals rückwärts gegangen. Wenn es nicht so schlimm wäre, als dass die Leute es nicht tatsächlich glaubten. Das finde ich eigentlich noch entmutigender als das Ranwanzen der CDU an AfD-Themen, dass dies auf tatsächlich Strömungen in der Gesellschaft hinzuweisen scheint. Hier wird fleißig mitgeschwommen und etwaige Stromschnellen werden leichtfertig in Kauf genommen. Ziehen wir also lieber beim Schwimmen einen Helm an.

Ach ja, die Grünen. Beim Abfotografieren des Plakates las ich – Freud’sche Fehlleistung – SCHUHVERZICHT. Und schon könnte man eine Tirade lostreten im Sinne des wohlfeilen Grünen-Bashings, das ich in der Regel genauso langweilig finde wie Bahn-Bashing. Na klar, Grünes Kernthema: Verbotspartei, jetzt sollen wir also auch keine Schuhe mehr tragen und nur noch freitags Fleisch essen, um die Welt zu retten, und deshalb brauchen wir dann auch auf alle Fälle Wärmepumpen, um keine kalten Füße mehr zu kriegen usw. usf. Ich finde SCHUHVERZICHT durchaus einen  lustigen Verleser. Woher grade die ZUVERSICHT kommen soll, erschlösse sich mir grade gar nicht so super.

Aber schlimm, wirklich schlimm, wird es hier. Bei der AfD. Dieses Plakat war der eigentliche Grund meiner kleinen fotografischen Radtour eben. Das finde ich so still und leise dermaßen was von top-perfide: „Ihr hattet 70 Jahre Zeit“. Ihr habt versagt. Und deshalb muss jetzt etwas Neues kommen, was mit Euren Ideen nichts zu tun hat. Perfide. Ehrlich. Beängstigend. Heil Neuwahl!

vorgetragener nachtrag

leztens hab ich mich ein wenig hinreißen lassen in der beurteilung der sinnhaftigkeit von zeitgenössischer malerei. jetzt muss ich mich ein wenig korrigieren. natürlich heißt das nicht, dass es keine aktuelle malerei mehr gibt, die nicht durchaus interessant sein kann,  und dass hie und da ein einsames pinselhäschen in seiner ecke sitzt und ernstlich an der welt verzweifelt und sie verstehen will. so muss ich nach dem besuch der mannheimer kunsthalle folgendes ergänzen: vielleicht muss ich für mein empfinden anselm kiefer nennen. das ist durchaus mehr als zeitvertreib.

(und ich habe zwei bilder von ambera wellmann gesehen, einer kanandischen malerin, die mir bisher gänzlich unbekannt war, und das war auch mehr als interessant. also bitte&danke.)

warum kann ich mir die geburtstage anfang januar einfach so schlecht merken? Weil ich noch nicht richtig da bin, obwohl alles schon wieder da ist und eigentlich noch nicht mal riichtig weg war? Die demütigung des neuen jahres, dass alles einfach so weitergeht, als gäbe es kein dazwischen? Und dabei fängt der januar mit einem „ja“ an – nein, nein, nein: ich will monate, die mit einem „nein“ anfangen!

(wie geht das euch, ihr januar-geborenen: schon wieder muss ich weiterleben? oder freut ihr euch, dass weihnachten endlich vorbei ist und ihr jetzt endlich wieder zum zug kommt?)

Kunsthistoriker:innen-Poesie, Nachtrag

Das Schlimme an dieser Kunsthistoriker:innen-Poesie ist ja, vor allem, die Fallhöhe zwischen dem, was da alles herbeibehauptet wird, und dem, was ich auf den Leinwändchen vor mir sehe.

Besser wäre es doch, man und woman machte nicht so viel trara und behauptete, man/woman male eigentlich einfach nur gerne bunte Bilder, und dann haut es einem beim Betrachten einfach nur noch vom Sockel. Das wäre doch der Hammer und ein Aha!

Aber wenn es denn einen Spätkapitalismus gibt, dann wäre doch eines seiner konstatierbaren Merkmale das ungeheure Geschrei, das überall verbreitet wird.

kritik

by the way, gestern hab ich tatsächlich und völlig überraschend einen wirklich wunderbaren Film gesehen, auf DVD, zuhause, ausgeliehen in der wohlsortierten Neunkircher Stadtbibliotheque:

POOR THINGS. von Giorgos Lanthimos. mit Emma Stone.

noch fehlen mir die Worte. Aber eigentlich will man das sofort nochmal sehen.

noch einer (weil ich noch nie so falsch war auf dieser welt)

Hier ein Text aus instagram. Die saarländische Galerie in Berlin betextet eine Ausstellung von Darja Linder.
Und dieses herausragende Beispiel zeitgenössicher Kunsthistoriker:innen-Poesie goes like this:

Darja Linders @darjalinder figurative Malereien und Installationen sind gespickt mit visuellen Codes, die sich auf die Erfahrungswelt ihrer Generation beziehen – von Dating Apps über Fernsehserien bis hin zu Internetphänomenen. Die farbintensive und schrille Ästhetik ihrer Arbeiten spielt mit der spätkapitalistischen Sehnsucht nach Übersättigung und Überfluss. Sie wirkt jedoch als bunt schillernde Oberfläche, unter der sich häufig schmerzhafte Themen verbergen.

Es werden Fragen aufgeworfen zu Klasse, Geschlecht oder Migration. Linder beobachtet die Zusammenhänge zwischen politischen (Macht-)Strukturen und individuellen Begierden. Sie untersucht in ihren Werken, wie tief individuelle und kollektive Erfahrungen in unsere Identitäten hineinreichen.

->  Spätkapitalismus ist immer super. Damit spielen ist auch immer super. Und dass der Spätkapitalismus, wer oder was das immer ist, davon abgesehen, ob wir uns wirklich in einer spätkapitalistischen Phase bewegen (wer sagt das, wer weiß das, wer hat das nachgemessen?), geprägt ist von dieser im Text behaupteten Sehnsucht: stimmt das denn? Oder ist das einfach mal eine wohlfeile Behauptung, die sich einfach immer mal gut macht? Und unter der schillernden Oberfläche verbergen sich die schmerzhaften Themen. Ja, möglich, aber warum sieht man sie nicht, diese schmerzhaften Themen? Warum werden sie nicht thematisiert? Zarte Schale, rauer Kern? Hier wird doch arg lustig geworthülst. Und lustig vor sich hin behauptet. Aber Hauptsache auch die Oberfläche der Wörter glänzt und untendrunter kann man die ernsthaftesten Themen vermuten. Und zum letzten Absatz: geht es auch ein wenig bescheidener: Unter den Zusammenhängen zwischen Klasse, Geschlecht, Migration, politischen Machtstrukturen geht kaum noch was. Und Begierden und individuelle und kollektive Erfahrungen werden untersucht und und und und blablablupp. Hier wird nix untersucht. Und schon gar nicht systematisch und konsequent. Hier werden bunte Bilder hergestellt und das ganze ein wenig gesellschaftskritisch verbrämt. Ich gehe hier als Betrachterin nicht anders raus, als ich reingehe. Als Betrachter übrigens auch nicht.

Peter Weibel hat in einem Vortrag in Saarbrücken, 1999 war das, wenn ich mich recht erinnere, mal die steile These aufgestellt, die Malerei habe als ernstzunehmendes künstlerisches Medium so um 1930 herum aufgehört, wesentliche Dinge zum Diskurs beizutragen. Ich finde diese Ansicht sehr interessant und bedenkenswert. Und es gab in den letzten Jahren für mich fast nur das Werk von Miriam Cahn, bei dem ich noch eine gewisse Relevanz gespürt habe. Alles andere scheint mir eher Zeitvertreib.

 

eclectic field

Hach, dachte ich, was für eine Gelegenheit, das Kino 8 1/2 zeigt den Gewinnerfilm des Ophüls-Festivals aus dem letzten Jahr. „Electric fields“ von Lisa Gertsch. Es fallen einem zwei Sachen ein. Zum einen das Diktum von Billy Wilder: Du darfst alles, nur nicht langweilen. Und zum zweiten, wie Jurys so funktionieren. Menschen, die aus welchen Gründen, zusammen in einer Jury gefangen sind, um, wie hier nach einer Woche, einen Gewinnerfilm küren zu müssen. Man kennt sich nicht, ist ein Individuum, versteht sich besser oder schlechter und muss sich auf einen Film einigen. Man fand vielleicht einen anderen Film besser, hat sich mit seinen Argumenten aber nicht durchsetzen können. Und nun ist es also das, auf was man sich einigen konnte.
Und ich finde es schon schlimm, wenn sich nach einem Film erstmal solche Gedanken aufdrängen.
Lisa Gertsch traut sich was. Kleine Episoden, die immer irgendwie im Unerwarteten enden, wobei, und das ist das Problem, dieses Unerwartete oft ein wenig belanglos daherkommt, wenig existentielle Tiefe hat, und alles in allem reichlich konstruiert wirkt. Die zweite Szene, wo eine Frau in einen Elektroladen kommt mit einer Glühlampe, die scheinbar so eine Art ewiges Licht darstellt. Sie leuchtet ohne Strom, leuchtet und leuchtet und dem Elektriker ist es unerklärlich, warum er die Lösung nicht findet. Keine Spannung drauf. Ja, sagt die Kundin. Aber sie leuchtet trotzdem. Das alles wird ins Unendliche gedehnt, so dass man sich zwischendurch bei dem Gedanken ertappt: hau doch einfach mit dem Hammer drauf! Und wie endet die Szene: Der Elektriker schlägt vor, die Lampe zu zerschlagen, und tut es, in dem er sie auf den Boden fallen lässt. Die Kundin bezahlt und nimmt die Scherben mit nachhause.
Mir ging es schon mal so mit den Erzählungen von Felicitas Hoppe. (Picknick der Friseure). Die erste Erzählung in dem Bändchen hat durchaus noch einen gewissen sprachlichen und intellektuellen Pfiff. Danach läuft aber alles wieder und wieder nach demselben Schema. Auch hier, für mein Empfinden, ohne ausreichende existentielle Tiefe.
Zwischendurch denke ich – natürlich – auch an die Filme von Roy Andersson. Auch hier unerwartete Wendungen. Absurditäten. Aber auch: die Abgründe des menschlichen Daseins. Und Bilder, die dies zu greifen vermögen.
Lisa Gertschs Film vertraut zu viel auf die ein oder andere fixe Idee oder schnelle Pointe. Man wartet und wartet. Es werden Andeutungen gemacht, die nicht eingehalten werden. Und vor allem: das alles funktioniert nicht über interessante Bilder, die sich einprägen.
Mit einer einzige Ausnahme: Der Mann, der, plötzlich, um Jahre gealtert, an der Brücke in den See steigt, unter- und nicht mehr auftaucht. Ganz langsam dramatisiert sich das Bild, der Wellengang nimmt zu, der Geräuschpegel nimmt zu, die Boote im Hintergrund werden absurd hin und her bewegt und es beschleicht einen die Ahnung, dass die Wellen und alles auch über einen selbst zusammenschlagen könnten. Das war der einzig wirklich berührende Moment des ganzen Films.
Am wirklich unnötigsten die Szene des Liebespaars, das sich in einem Hotelzimmer trifft. Keine Idee, was hier gesagt werden sollte.
Und was mich hier interessieren sollte. Ich war ja selbst früher ein glühender Verfechter der Ansicht, dass, wenn es bohrende Langeweile vermitteln soll, selbst auch bohrend langweilig inszeniert sein muss. Aber dann versehe ich wenigstens, dass es hier um das Thema bohrender Langeweile geht.
Ich denke auch an unzählige Video-Arbeiten aus dem Kunst-Bereich. Die meisten banaler Zeitdiebstahl.
Und wo ist der Film entstanden: Kunsthochschule Zürich. Bitteschön. Dankeschön.
Kann ja sein, dass die Jury gelangweilt war von unendlich konventionellen Erzählfilmen, aufwändig co-produziert von arte, ZDF etc. und dann dachte: wow, hier kommt eine neue mutige Erzählform.
Nee. Leider. Kommt sie nicht.

aus gegebenem Ablass

Gestern dieses CDU-Wahlplakat gesehen: Für die Wiederherstellung von Recht und Ordnung. Und letztens das kleine mit dem Gesicht von Friedrich Merz mit dem Spruch: für ein Land, auf das wir wieder stolz sein können.
Als ob wir in einem Land lebten, in dem Recht und Ordnung schon komplett den Bach runter seien.
Habt Ihr sie noch alle? CDU = AfD light?
Aber noch schlimmer eigentlich: Spricht man damit wirklich die Menschen an? Ist es das, was insgeheim gedacht wird?
Dies, so scheint mir, steht allerdings tatsächlich zu befürchten.
Da ich mich ja nicht nur in meiner sozialen Bubbleblase bewege, sondern in meiner nebenkünstlerischen Tätigkeit auch im richtigen Leben bewegen muss, ist manches im Alltag tatsächlich nur schwer auszuhalten.
Hinter mir die unendliche Masse eines unendlich schweren Vakuums.
M’illumino d’immenso.
Vielleicht sollte man sich diese Zeilen von Guiseppe Ungaretti irgendwo ins Vorderhirn meißeln. So dass man sie im Notfall immer greifbar hat.
Robert Habeck zeigt sein Gesicht ernst neben dem Wort ZUVERSICHT.
Geht mir doch alle aus der Sonne.

20.1.25

montagmorgen 6.20 uhr auf der treppe zum bahnhof eine leere flasche mixery, 1 plastikdeckel und 1 plastik-wie-nennt-man-das-schale-schüssel-nix-von-allem-aber-doch-irgendwie, leer, verlassen, fallen- und liegengelassen, stille, zug kommt pünktlich, aber doch ein schwacher abklatsch 1 durchgemachten nacht in berlin: ganz frühe s-bahn, relativ menschenleer, samstagmorgen, voller aufrecht stehender leerer bierflaschen, keine rollend, als führe der zug extra-vosicht, als führen sie zur arbeit, all diese flaschen, als müsse man leise sein, weil gleich ihr tagwerk beginnt, sie sich wieder füllen mit irgendwas – oder einfach nur auch nachhaus, ihre vakuumme so lassen, wie sie sind.