nachtrag breitz – kulturbesitz

In all dem Hin- und her habe ich diesen Satz zwar gelesen, mich aber auch ziemlich stark auf andere Zusammenhänge kapriziert und diese zu verstehen versucht.
Ein Satz wie „Germany is an unfree fascist dictatorship run by psychopaths“ ist für mich aber ausgesprochen unerträglich und vor allem dümmlich, und es fällt mir schwer, jemand ernst zu nehmen, die oder der so etwas allen Ernstes in der aktuellen Situation behauptet. Das muss man gar nicht groß kommentieren und widerlegen. Das entspricht absolut noch mehr nicht meiner Wahrnehmung der Situation, wie es auch nicht meiner Wahrnehmung entsprochen hat, dass es sich hier um eine obrigkeitsstaatliche Maßnahme gehandelt hat.  Trotzdem finde ich weiterhin die Art und Weise, wie diese Ausstellung abgesagt wurde, hochgradig fragwürdig. Diesen Satz aber auch.

 

NACHTRAG ZUM NACHTRAG:

Candice Breitz Kommentar auf meinen Nachtrag möchte ich hier nochmal in den Text aufnehmen (die Kommentare sieht man ja erst, wenn man auf den Artikel klickt):

Die Aussage „Germany is an unfree fascist dictatorship run by psychopaths“ stammt weder von mir, noch ist dies eine Meinung, die ich teile.

Um die Entscheidung, meine Ausstellung abzusagen, zu untermauern, zitiert die SSK-Pressemitteilung mehrere extreme Kommentare, die zufällige Personen (mit denen ich keinen direkten Kontakt habe) unter meinen Instagram-Posts gemacht haben. Bitte lesen Sie diesen Teil der SSK-Pressemitteilung genau. Danke.

Tatsächlich ist das recht raffiniert formuliert: „hat Candice Breitz auf ihrem Instagram Kanal für die SSK politisch nicht tolerierbaren Inhalten eine Plattform verliehen …“

Jetzt kenne ich mich auf Instagram nicht wirklich aus. Könnten Kommentare dort auch gelöscht werden, so dass solchen Äußerungen „keine Plattform“ geboten wären? Wurde ein solcher Kommentar kommentiert? Oder steht (oder stand?) er da unkommentiert?

Es steht mir hier kein Urteil zu, wie jemand mit Kommentaren auf seinem Instagram-Account umgeht, finde den Hinweis aber auf alle Fälle nochmal wichtig.

 

 

26.12.23

Heute nacht vom Wald meiner Kindheit geträumt. Zum wiederholten Male. Und zum wiederholten Male war es nicht der Wald meiner Kindheit. Er hat Wege, die es in meiner Kindheit nicht gab. Ich habe seit Jahren Lust, diesen einen Weg wieder mit dem Fahrrad abzufahren, der dann überraschend nach einigen Kilometern die Kehrtwende an einem Nachbarort vorbei macht. Jedesmal ist man überrascht, dass man auf diesem Weg diesen Ort erreicht. Und heute morgen werde ich dann wach (es war kurz nach 4) und muss mir eingestehen, dass es diesen Weg, dieses Leben, diesen Wald gar nicht gibt, obwohl er mir so unendlich vertraut scheint. Ein Mangel. Eine Lücke. Es gibt keinen Ersatz für das, was es nicht gibt.

tagessätze

  • 4.12.23 zufrieden jelinek
  • 7.12.23 zuckerkorngroß = die kleinsten gedanken der welt leuchten ohne zuschauer
  • 8.12.23 so empört sich der empörfixe empörfaxe und verschießt sein ganzes leben, sauer auf die ganze welt, als platzpatrone
  • 9.12.23 ich werde durch brüllen nicht größer!
  • 10.12.23 augenhöhe wird nicht durch beschimpfung hergestellt
  • 13.12.23 mein gesicht von innen: die wahrnehmung der stube bei geschlossenen augen, die perspektivische verzerrung der stube bei geschlossenen augen, die geschlossenen augen bei geschlossenen augen: noch nicht mal meine träume interessieren mich mehr
  • 22.12.23 mein gehirn kann so einfach nicht denken, das gute hier (sic!) und das böse da
  • 23.12.23 ich bin wichtiger als meine empörung!
  • 24.12.23 meine empörung ist wichtiger als ich = diktatur der empörung

Presseerklärung Stiftung Saarländischer Kulturbesitz

Bülent Gündüz veröffentlicht heute auf facebook folgende Presseerklärung der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz:
„Die Absage der Ausstellung „TLDR“ von Candice Breitz war alternativlos“
Die am 24.11.2023 erfolgte Absage der Ausstellung „TLDR“ der Künstlerin Candice Breitz durch die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz (SSK) war angesichts
ihrer Äußerungen in der aktuellen Debatte zum Nahostkonflikt alternativlos. Unter den aktuellen Bedingungen an einer Ausstellung festzuhalten, die der Künstlerin auch als politischer Aktivistin Raum geboten hätte, war für die Stiftung nicht tragbar. Entgegen der von der Künstlerin öffentlichkeitswirksam verbreiteten Behauptungen steht die Absage der Ausstellung nicht mit der künstlerischen Position oder Herkunft der Künstlerin in Zusammenhang. Gegen anderslautende Unterstellungen der Künstlerin, die Entscheidung der SSK sei verleumderisch und antisemitisch, verwahrt sich die SSK ausdrücklich; derartige Vorwürfe der Künstlerin entbehren jeder Grundlage. Dies gilt auch für Aussagen über das Zustandekommen der Entscheidung für eine Absage, die fälschlicherweise nahelegen, dass diese Entscheidung auf das Kuratorium bzw. einzelne Mitglieder des Kuratoriums zurückgehe. Insbesondere ist es unzutreffend, dass der Rektor der Hochschule der Bildenden Künste Saar, Herr Prof. Dr. Christian Bauer, empfohlen habe, die Ausstellung nicht zu verwirklichen.
Die Absage der Ausstellung der Künstlerin Candice Breitz erfolgte nach umfassender Prüfung. Die SSK hat sich die Entscheidung alles andere als leicht gemacht, auch weil ihr klar war, dass sie sich damit vehementer Kritik aussetzen würde.
Der Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 stellt eine Zäsur dar, die insbesondere in Deutschland eine Debatte ausgelöst hat, in der künstlerische Positionen und politische Haltung nicht voneinander zu trennen sind. Candice Breitz ist in diesem Rahmen mit polarisierenden Äußerungen zum Nahost-Konflikt aufgetreten und befeuert diese Diskussion in den sozialen Medien weiterhin.
Candice Breitz hat diese Gräueltaten und die Ausübung des Rechts auf Selbstverteidigung durch den Staat Israel in den sozialen Medien unter anderem wie folgt kommentiert:
“Standing on the side of genocide will not make Jews safer.” [15.10.2023, Instagram]
(übersetzt: “Wer sich auf die Seite des Völkermordes stellt, macht die Juden nicht sicherer”)
„It’s likewise possible to support the Palestinian struggle for basic rights and human dignity – including liberation from decades of oppression – while unequivocally condemning the horrific carnage exacted on 7 October, and cruel stranglehold that Hamas exerts on Gazan civilians (to the advantage of Israel’s sadist leaders). Hamas is not Palestine.” [30.10.2023, Instagram]
(übersetzt: Ebenso ist es möglich, den palästinensischen Kampf für Grundrechte und Menschenwürde – einschließlich der Befreiung von jahrzehntelanger Unterdrückung – zu unterstützen und gleichzeitig das schreckliche Blutbad vom 7. Oktober und den Würgegriff, den die Hamas auf die Zivilbevölkerung des Gazastreifens ausübt (zum Vorteil der sadistischen israelischen Führung), unmissverständlich zu verurteilen. Die Hamas ist nicht Palästina.)
Die SSK wird keiner kunstschaffenden Person eine Plattform bieten, die die Ausübung des Rechts auf Selbstverteidigung durch den Staat Israel in Reaktion auf einen feigen und brutalen Terroranschlag als Völkermord qualifiziert, den Terroranschlag mit der dauerhaft konfliktbelasteten Koexistenz von Palästinensern und Israelis rechtfertigt und der israelischen Regierung Sadismus vorwirft.
Im Jahr 2019 hat Candice Breitz einen offenen Brief unterzeichnet, in dem der Deutsche Bundestag aufgefordert wird, einen Bundestagsbeschluss zurückzunehmen, in dem die Ziele und Methoden der palästinensischen Solidaritätsbewegung „Boycott, Divestment, Sanctions“ (BDS) offiziell als antisemitisch verurteilt werden. Abrufbar unter: https://nothingchangeduntilfaced.com/de/
Angesichts der Unterzeichnung dieser Petition und der bisher nicht erfolgten Distanzierung von deren Inhalten darf eine Identifikation von Candice Breitz mit den Zielen dieser Bewegung unterstellt werden.
Weiterhin ist den Social Media Kanälen von Candice Breitz zu entnehmen, dass sie die derzeitige politische Situation in Deutschland mit „Autoritarismus“ in Verbindung bringt. Als Reaktion auf die Absage einer Veranstaltung durch die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB), an deren Organisation Breitz maßgeblich beteiligt war, äußerte sie:
„Silencing voices that are inconvenient or uncomfortable is a feature of authoritarian regimes…“ [05.11.2023, Instagram]
(übersetzt: Nicht genehme oder unbequeme Stimmen zum Schweigen zu bringen, ist ein Merkmal autoritärer Regime)
Über ähnliche Äußerungen der Künstlerin berichtete die Berliner Wochenzeitung jungle.world in dem Artikel „Das Gebrüll der zum Schweigen gebrachten“ zur Kundgebung »We Still Need to Talk« am 10. November in Berlin [jungle.world/artikel/2023/46/protest-gegen-israel-in-deutschland-das-gebruell-der-zum-schweigen-gebrachten]:
„Als »Linke«, »Jüdin« und »Südafrikanerin«, die in Südafrika »unter Apartheid« gelebt habe und in Deutschland »auch nach 21 Jahren noch immer als Ausländerin betrachtet« werde, lebe sie nun erneut in einem »autoritären Regime«. […] Auf der Bühne am Freitag sprach Breitz von »Stummschalten« und einem »autoritären Regime«, das in Deutschland herrsche.“
Auch andere Zeitungsberichte gaben aus unserer Sicht problematische Äußerungen wieder.
Insbesondere aber die Social Media-Aktivitäten der Künstlerin warfen Zweifel auf an einer Tragfähigkeit der vorgesehenen Kooperation mit ihr.
Bereits nach dem 7. Oktober 2023, verstärkt aber dann nach Absage der Ausstellung, hat Candice Breitz auf ihrem Instagram Kanal für die SSK politisch nicht tolerierbaren Inhalten eine Plattform verliehen:
„Germany is an unfree fascist dictatorship run by psychopaths“,
(übersetzt: Deutschland ist eine unfreie faschistische Diktatur, die von Psychopathen geführt wird)
„this is so embarrassing for Germany. We are only one step away from Burning of books…“,
(übersetzt: das ist peinlich für Deutschland. Wir sind nur noch einen Schritt von der Bücherverbrennung entfernt…)
„there’s a reason they call nazi Germany, nazi Germany”
(übersetzt: es gibt einen Grund weshalb man Nazi Deutschland Nazi Deutschland nennt)
Die infolge der Ausstellungsabsage des Saarlandmuseums getätigten Äußerungen von Candice Breitz in der Presse und im Internet insinuieren eine unzutreffende Sachlage. Frau Breitz wird weder durch die Absage der BPB-Konferenz noch durch die Absage der Ausstellung im Saarlandmuseum untersagt, öffentlich ihre Meinung kundzutun – sei es zum Nahostkonflikt oder zu sonstigen gesellschaftspolitischen Themen.
Genauso wie es ihre Freiheit ist, sich unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Grenzen zu äußern, ist es das Recht des Saarlandmuseums, zu entscheiden, ob die in der aktuellen Lage von einer Künstlerin geäußerten Standpunkte mit dem Selbstverständnis, der Identität und normativen Grundhaltung einer kulturellen Institution vereinbar sind. Das Grundgesetz verbrieft Abwehr- und keine Leistungsrechte. Candice Breitz kann kein Recht auf Ausstellung in den Häusern der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz einfordern.
Wenn eine Künstlerin auf ihrem Social Media-Kanal das Handeln des Staats Israel als Reaktion auf das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 gegen überwiegend zivile Ziele als Völkermord bezeichnet, können und wollen die Verantwortlichen auf Seiten der SSK dies nicht mittragen. Eine militärische Reaktion auf einen Angriff von außen wird hier mit eindeutig terroristischen Handlungen der Gegenseite gleichgesetzt. Von einer gleichwohl behaupteten klaren Distanzierung vom Terror der Hamas kann aufgrund dieser Gleichsetzung unseres Erachtens nicht gesprochen werden. Vielmehr macht die von Frau Breitz vorgetragene Betrachtungsweise Täter zu Opfern. Bei der Ausstellung ihrer Werke kann in der aktuellen Lage die politische Aktivität von Candice Breitz keineswegs ausgeblendet werden.
Unsere Entscheidung bedeutet nicht, dass hier eine Debatte unterdrückt wird, im Gegenteil stellen wir uns der Kritik. Unsere Absage ist bekanntermaßen im Kontext eines breiten Spektrums von Diskussionen in und außerhalb Deutschlands angesiedelt. Die Debatte kann und sollte auch geführt werden. Gleichwohl muss jede Institution die Möglichkeit haben, Position zu beziehen, wo sie es als notwendig bzw. geboten erachtet, ohne zur Projektionsfläche willkürlicher Anfeindungen zu werden.

aktuell

JUNGE WELT ZU CANDICE BREITZ

Wenn das stimmt, was Candice Breitz über die Telefonate mit Dr. Andrea Jahn sagt, dann wäre doch Margot Käßmann ein gutes Vorbild für moralisch einwandfreies Handeln. Ansonsten muss man davon ausgehen, dass sie die Entscheidung mitträgt. Wenn sie sich von der Kommission gezwungen sah, gegen ihre persönliche Überzeugung zu handeln, dann ist doch ein Rücktritt vom Amt die einzige glaubhafte Reaktion. Da würde ich sogar meinen Strohhut ziehen. Alles andere, das schleimige Kleben am nichtzuverachtenden Gehalt ist dann nur noch peinlicher. Wenn sie die Sache inhaltlich mitträgt, dann wäre eine saubere Begründung durchaus auch mal an der Tagesordnung.