aus dem Film-Skizzenbuch

 

von oben nach unten: zu Fassbinders „Mutter Küsters Fahrt zum Himmel“,  zu „Shirley“ und Nina Hoss während eines TV-Interviews.

je ne suis pas

Heute erhalte ich über den BBK eine Einladung, an einer Ausstellung teilzunehmen, die sich die Anschläge auf Charlie Hebdo zum Anlass nehmen will, dazu Stellung zu nehmen.
Ich bin seit diesem 7.Januar ein wenig überfordert, aber weniger durch die Anschläge selbst, sondern durch die diversen Reaktionen darauf.
Menschen, die bis eben noch nie den Namen CHARLIE HEBDO gehört haben, sind plötzlich alle höchstpersönlich Charlie.
Wer bin ich, wenn alle Charlie sind?
So sehr einem diese Anschläge betroffen machen können, ist diese Art des Mitgefühls nicht ein wenig wohlfeil?
Mainstream-Mitgefühl, das ja nix an Engagement kostet, weil es ja alle machen?
Ich hatte fast 20 Jahre lang ein Titanic-Abo. Charlie Hebdo war mir kein Begriff. Ich kannte auch keinen der dort getöteten Zeichner. Wäre es nicht jetzt ein wenig anmaßend, plötzlich so zu tun, als wäre ich ein Mitglied der Familie? Was bewirke ich, wenn ich mir jetzt die neueste Ausgabe auf dem Schwarzmarkt ergattere?
Ist das dann Anteilnahme? Oder Trophäen-Jagd? Oder kaufe ich mir damit ein Stück vom Kuchen des Guten, das ich herzeigen kann und sagen: auch ich bin ein Guter?
Warum ist keiner Donezk? Oder warum war keiner Madrid? Srebrenica? Lidice? Buchenwald?
Gibt es ein richtiges Leben im Valschen?
Kann es richtig sein, für etwas Richtiges das Falsche zu tun?
Nämlich für das Gute zum Mitläufer zu werden? Zum Mitmacher?
Ich bin nicht Charlie. Ich bin Klaus. Und als solcher trage ich Verantwortung für mein Tun und Handeln.
Und nur das trägt zu einer verantwortungsvollen und offenen Gesellschaft bei.
Keine verallgemeinernden und gedankenlosen Parolen. Auch wenn sie für das Gute stehen.

Veranstaltungstippse:

Am 29.1. beginnt meine fünfte und leider letzte Einzelausstellung in der Galerie Rosenrot in Mannheim-Feudenheim. Die Ausstellung steht unter einem Konzept, das besagt, dass ich mich gänzlich der Gestaltung entziehe und die alleinige Verantwortung für Auswahl und Präsentation an Lisa Borscheid abgegeben habe. Es war schon immer ihr Wunsch, mal eine Ausstellung mit meinen Sachen nach ihren Vorstellungen zusammenzustellen, da sie es immer mal wieder nicht verstanden hat, warum ich denn nun gerade dieses und nicht das in ihren Augen viel bessere Bild daneben ausgesucht habe. Bitteschön. Ich bin gespannt und brauche nun einfach nur weniger zu tun als sonst. Vielleicht ist das ja auch auf Dauer eine gute Idee?? Es könnte sein, dass wir noch ein oder zwei Plätze im Auto frei haben, wenn wir am Donnerstag nach Mannheim fahren, könnte aber sein, dass man mit einem Platz im Gepäckraum vorlieb nehmen müsste. Bei Interesse mitzufahren, einfach mal fragen, was geht. (Wir werden nicht allzu früh wieder zurück sein, 24 Uhr wird’s in der Regel mindestens…)

  1. wo?: Galerie Rosenrot. Neckarstraße 3. Mannheim-Feudenheim.
  2. was?: Die Bilder werden ausgesucht und zusammengestellt von Lisa Borscheid.
  3. warum?: Ich nehme keinerlei Einfluß auf die Konzeption der Veranstaltung.
  4. gibt’s denn sowas?: Es wird einige ältere und einige neuere Sachen zu sehen geben.

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Das Gegenteil vom Gefangenenchor wäre dann wohl der Freiwilligenchor. Auf Englisch: freewilly everysing.

Peter Weibel lügt

So heißt nicht nur ein Vogelbild (Nr. 1382), dies war der Satz, auf den ich meine Eindrücke der Ausstellung im 21er Haus in Wien komprimiert habe. Eine Übersichtsschau mit Arbeiten von Peter Weibel, die noch bis zum 18.1. unter dem etwas reißerischen Titel „PETER WEIBEL – MEDIENREBELL“ zu sehen ist. Vor Jahren hatte ich bereits eine kleine Übersichtsschau in der Akademie der Künste in Berlin gesehen, die mich angenehm beeinruckt hatte. Da schien einer wirklich etwas wissen zu wollen und radikale Fragen zu stellen.

Deshalb war ich sehr gespannt auf diese Wiener Präsentation. Ein Raum voller Ideen und Videos und Dokumentationen und man denkt: wow, das kann spannend werden! Doch schon relativ schnell stellt sich ein fader Beigeschmack ein, den man nicht wirklich benennen kann.

Nicht dass es nicht Arbeiten gäbe, die funktionieren. So kann man am Anfang Musikstücken lauschen, für die er in den 70ern die Texte geschrieben hat und die er auch selbst singt, und für Liedzeilen wie „Liebe ist kein Hospital“ gehört einem schonmal ein großes Lob ausgesprochen. Auch zwei Tafeln mit lapidar hingeschriebenen Statements wie „Ich glaube an den Untergang der Welt. Aber ich glaube nicht an den Untergang des Kapitalismus“ sind in ihrer Einfachheit frappierend überzeugend.

Doch schon relativ schnell stellt sich dieser merkwürdig  fade Beigeschmack ein.

Am spannendsten sind dann doch überwiegend die radikalen Performances aus den 60ern zusammen mit Valie Export, sowie Oswald Wiener usw. usf. (Zu den großen Verdiensten Peter Weibels zählt auch die Herausgabe des großen Kataloges zur Wiener Gruppe, der 1997 zur Bienale in Venedig erschien).

Doch bei vielem anderen aus der späteren Zeit vermisst man etwas.  Und man weiß erstmal nicht was.

Worum es geht ist klar: Der Mensch hat sich selbst zu definieren, seine Rahmenbedingungen selbst abzustecken und erst einmal nichts um ihn herum anzuerkennen. Ein Akt selbstdenkender Befreiung.

Doch viele Arbeiten sind Kopfgeburten. Ein Container, in dem zerknülltes Papier liegt und dazwischen die Buchstaben des Wortes WIND aus Neonröhren nachgebogen sind und der Reihe nach aufleuchten. Aha: Hier sieht es aus, als hätte der Wind alles verweht, aber obacht Du Zuschauer, dem ist nicht so, der WIND existiert hier nur als Wort und Du sitzt einem Trugbild auf! Für wie doof wird man hier eigentlich gehalten? Und zu jeder Arbeit ein Beipackzettel mit Erklärung.

Und wie so oft: diese würde eigentlich bereits genügen.

Ästhetisch geben die Arbeiten kaum etwas her (das war meiner Erinnerung nach in Berlin etwas anders) und sind meist platte Illustrationen des dahinterstehenden (oft ebenso platten Gedankens).

Ertappt habe ich Peter Weibel aber in den fotografischen Arbeiten, in denen er Wörtern im öffentlichen Raum einen Zettel oder eine Notiz zufügt, die diese ergänzen, und wohl „entlarven“ sollen. So stellt er sich beispielsweise unter das Schild einer Polizeiwache, auf dem POLIZEI zu lesen steht und hält einen Zettel drunter, auf dem steht LÜGT. Unglaublich erhellendes Statement.

Nungut. Aber viel erhelleneder ist: Auf all diesen Fotos guckt auch Peter Weibel als Person selbst in die Kamera. Wozu? Man hätte ja auch einfach auf das Foto schreiben können: LÜGT. Nee, Peter muss mit auf’s Foto.

Und das hängt damit zusammen, weil ER uns die Welt erklärt. ER ist das Zentrum der Erkenntnis.

Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Und hier lügt nämlich Peter Weibel. Es geht ihm nicht darum, dass der Mensch sich wahrnehmend und denkend befreit, es geht ihm darum, dass ER dem Menschen erklärt, wie die Welt funktioniert. Und dies ist einfürallemal keine Befreiung, sondern Bevormundung.

Und wenn man das kapiert hat, wird einem die Ausstellung erst recht schal. Und man denkt: Wieviel Aufwand für wiewenig Erkenntnis!

Und wiesehr ist doch das Wort Witz mit Geist verwand.

Und Witz findet man bei Peter Weibel keinen.

Obwohl der Anfang ja eigentlich nicht schlecht war.