40 tage und 40 gedanken für beate g. (21)
40 tage und 40 gedanken für beate g. (20)
zeichnerische und malerische stadterkundung
am letzten wochenende wieder ein termin unserer kleinen folge von samstagnachmittagstreffen für die vhs neunkirchen. (wer dazu noch lust hat: einen termin wird es in diesem jahr noch geben: neunkircher idyll pur am gutsweiher in furpach). diesmal war es die szene um die brücke zwischen dem festplatz wiebelskirchen und dem kleinen park nebenan. interessant: hier treffen sich junge männer stehend am baum zu ihrer nachmittagsflasche, junge tastend-übende zweigeschlechtliche kleingruppen, hundegänger über hundegänger.
erklärblatt
zwei trinker am baum
40 tage und 40 gedanken für beate g. (19)
Nr. 21: Arnulf Rainer: „Im Gewirre gefangen“
Ein hochformatiges Blatt. Nicht zu klein. 59,8cm x 47,6cm. Hier herrscht Unruhe. Bewegung. Nervosität. Bedrohung. Wir sehen was? Wir sehen eine männliche Figur von vorne. Sie trägt Hose und Hemd. Hose und Hemd in derselben Farbe. Diese Person hängt merkwürdig im Blatt. Wir erkennen einen schmalen dunklen Gürtel. Graue Hose, graues Hemd. Der Kopf ist nach vorne gebeugt, wir sehen nur einen schwarzen Haarschopf. Die Beine: Knie nach außen, Zehen wieder zusammen, so dass durch Ober- und Unterschenkel eine Raute entsteht. Der linke Arm der Person greift etwas weiter nach hinten aus. Und jetzt glauben wir es zu verstehen: Wahrscheinlich eine von schräg oben-vorn aufgenommene Boden-Sitzposition. Wir müssen wissen: die Figur ist eine Fotografie. Der rechte Arm der Person etwas näher am Körper. Die komplette Figur ist überzogen von einem wirren Gewirr an Bleistiftlinien. Kleinen Hieben, die wie Nadelstiche wirken. Gekräuselten Linien, gekringelten Linien, die das Ganze auratisch umschwirren. Auf alle Fälle: mit hoher Geschwindigkeit gezeichneten Linien. Eine spontane Reaktion auf die abgebildete Figur. Ein Gezingel und Gezüngel. Verwischte Linien. Und nochmal eine Lage drüber. Solche Linien gehen nicht langsam. Sie gehen nicht bedacht. Sie wollen und sollen nicht denken. Sie sollen reagieren. Kämpfen. Adaptieren. Verändern. Sich anpassen und erweitern. Das Liniengewirr überzieht also nicht das gesamte Blatt, sondern nur die Figur und das nähere Umfeld der Figur. Die Figur ist eine Abbildung des Zeichners selbst. Er erscheint also doppelt im Blatt: Als wiedererkennbare, wenn auch unter einem gewissen irritierenden Aspekt aufgenommene Person und als eigene, nervöse Reaktion auf dieses Abbild. Ein hoher Grad an Emotionalität. Rechts unten hingeschrieben der Titel des Blattes und die Signatur. Beides eher wütend gezeichnete Linien als klassische Schrift. Der Titel des Blattes: „Im Gewirre gefangen“. Arnulf Rainer hat vorwiegend in Serien gearbeitet. Er wühlt und suhlt in den Linien, um den Dingen auf die Spur zu kommen. Ein hochnervöses Kreisen und Kritzeln und Wüten, um sich die Dinge handhabbar zu machen. Die dunkelste Stelle hier in diesem Blatt: das Wuschelhaar des Kopfes, das so überzeichnet ist, dass man es nicht als Wuschelhaar, sondern als dunkle energetische Kugel wahrnimmt.
Canetti, ein ganz anderes Naturell, schreibt zu seiner eigenen Arbeit: „Mir geht es nicht um Formulierfreude als Selbstzweck, das wäre ja eine simple literarische Eitelkeit, ich will vielmehr… die Leute überzeugen, dass ich nicht nur schreibe, sondern den Dingen wirklich nachspüre.“ Arnulf Rainer in einem Gespräch mit Friedhelm Mennekes: „…Der Künstler stellt sich die höchsten idealen Ansprüche an sich selbst und an spirituelle Systeme und muss doch zugleich im Alltäglichen, in dem Vorläufigen, in erbärmlichsten Mülldeponien sich bewegen bzw. diese bewegen. Er muss sich dem Materiellen stellen und es transponieren. . . . Um den großen Zusammenhang ringen. Alles andere wird einem ja nachgeschmissen. …“
Z E N T R U M D E S W A H N S I N N S
40 tage und 40 gedanken für beate g. (18)
40 tage und 40 gedanken für beate g. (17)
tagesrest
neben all den nach oben gerichteten daumen, herzchen, grinsegesichtern, die man im internet anklicken kann, um eine emotion auszudrücken, fehlt dann doch eines: eine kleine, kurz angedeutete dankbare verbeugung – – – aber eigentlich gut, dass es das im netz noch nicht gibt (und hoffentlich auch nie geben wird)
Nr. 20: zu einer Zeichnung von Ute Thiel
Man sollte sich dieses Blatt (30x24cm, Hochformat, warm wirkendes Seidenpapier, so ein Papier, wie man es gerne für kalligraphische Studien benutzt) auf einem Ateliertisch (Holzplatte) in der Sonne liegend zwischen ebensolchen kalligraphischen Übungen vorstellen. Das Blatt selbst ist keine kalligraphische Übung, und dann auch wieder doch. Mit Pinsel gezeichnet, warme Linien, warm wirkendes Tusche-Schwarz. In der oberen Hälfte des Blattes ein Gesicht, das uns anblickt. Das Gesicht einer Frau. Links beginnt das Ohr mit zwei eleganten Schwüngen, in einem Pinselzug geht es weiter und markiert linke Wange und Kinn und rechte Wange und läuft, die Linie dünner werdend, über der von uns aus gesehen rechten Augenbraue aus. Das Gesicht selbst sehr einfach gehalten: Die Nase ein links offener Haken nach oben, der Mund eine einfache Wellenlinie. Aber was für eine Wellenlinie! Mit dem Tuschepinsel wohl auch links angesetzt (denn hier ist die Linie etwas angedickt, dies ist oft der Fall, wenn sich im Ansatz der Linie einfach noch etwas mehr Tusche im Pinsel befindet- – – wobei es in der chinesischen Kalligraphie auch genau den umgekehrten Weg gibt: man beginnt leicht und endet mit einer kräftigen Betonung durch Druck auf den Pinsel; ich wäre mir hier also nicht ganz so sicher) – kleiner kurzer Schwung nach oben, längerer Schwung nach unten und rechts leicht ausschwingend: lacht dieser Mund, lächelt er, hält er im Lächeln inne, drückt er vielleicht sogar etwas Zweifelndes aus? Es bleibt ambivalent in dieser einen Linie und das ist etwas, dem wir uns nicht entziehen können. Die Augen, beide fast gleich gemacht: zwei kräftige Punkte mit jeweils einem Halbkreis darüber. Die Augenbrauen: links ein Halbkreis, nach unten offen, nach oben gerundet, über dem rechten Auge ein geringer gebogener, fast zarter Schwung. Der Halbkreis über dem (immer von uns aus gesehen) linken Auge: sehr dicht am Augenpunkt dran, der rechte Bogen nimmt etwas Abstand. Diese wenigen Differenzierungen in der angelegten Einfachheit erzeugt eine soghafte Wirkung. Wir können uns diesem Blick kaum entziehen. Und auch hier: Ambivalenz. Das hat gleichzeitig etwas Freches, Schlitzohriges, aber auch etwas Freundliches. Hier spricht Schalk genauso wie Ernst. Am linken Ohr ansetzend ein zum linken Blattrand führender Schwung, abgebremst durch eine kurze Bewegung nach rechts: der Ärmel einer Bluse, eines Shirts. Von unten dagegen laufend eine Linie, die in ihrer Mitte einen Kringel beschreibt und dann zum „Ärmel“ aufschließt. Locker rechts daneben gesetzt wieder ein sehr leichter und mit nichts auf direktem Weg verbundener Schwung (man kann diese Linien einfach nicht anders als als Schwünge sehen – und so sind sie auch gemacht: jeweils in einem Zug hingeworfene Tusche-Spuren). Linie mit Kringel und rechts daneben gesetzter Schwung markieren einen Arm. Der Kringel ist der Ellenbogen! Ein kleiner widerborstiger Ellenbogenkringel am linken unteren Rand des Blattes, der formal jetzt nicht so wirklich aufdringlich daherkommt, sich aber wunderbar auf die beiden Augenpunkte mit ihren Halbkreisen reimt. Unter dem Kopf: Ein Schwung mit Haken nach oben, an der linken Wange ansetzend (ach: jetzt sieht man es erst auf den zweiten Blick: es könnte auch so sein, dass Ohr und linke Wange und dieser den Ausschnitt des Gewands markierende Schwung auch aus einem Guss sein könnten, und die zweite Gesichtshälfte extra angesetzt…hmm). Wie auch immer: an der rechten Wange enden zwei Linien, die die Anmutung des Ausschnitts des Gewandes vervollkommnen. Ein Blatt auf einem Tisch mit kalligraphischen Übungen. Ein Blatt, das auf einem fast schon zum Wegwerfen gedachten Papier gezeichnet wurde. Ohne große Absicht. Und wahrscheinlich liegt darin das Geheimnis: all diese vielen locker und selbstverständlich gezeichneten Schwünge, die an asiatische Kürzel nicht nur erinnern, nein, diese aufgreifen, adaptieren und sie mit unserer europäischen Sichtweise verbinden, die genau an dem Platz sitzen, an dem sie sitzen müssen, enthalten genau das, was sie enthalten können. Zur Beschreibung hatte ich einen Ausdruck eines Scans des Originals auf dem Schreibtisch liegen, dann an der Wand hängen. Je öfter man dieses Blatt betrachtet, je öfter zufällig der Blick darauf fällt, desto häufiger bleibt er hängen, desto weniger kann man sich diesem Blatt entziehen. Übrigens: ein Selbstportrait!
Tusche auf Seidenpapier, 30x24cm, entstanden im Herbst 2011 in Nanhua/China.
jutta koether, 1
gestern abend im paradies
40 tage und 40 gedanken für beate g. (16)
tischtennis in nachbars garten / Tischtennis – Hilfswerk
anseher
hin- und weghörer
jutta koether
gestern gab es anlässlich der aktuellen ausstellung in münchen ein interview mit jutta koether in der frankfurter allgmeinen sonntagszeitung.
„…Es werden immer neue Updates vorgenommen, und die laufen bei mir zusammen. Das ist eben nicht möglich, wenn das Subjekt eine statische Veranlagung hat.
So wie es sonst bei Künstlern dargestellt wird?
Wie es in allen Prozessen des Künstlerwerdens immer wieder nahegelegt wird.
An der Uni?
An der Uni, durch Magazine, Hitlisten, Kunstmärkte. Egal wie weit man dekonstruiert, am Ende des Tages muss man immer eine Eindeutigkeit produzieren, es muss fassbar, abrufbar, benennbar, bewertbar sein. Sich dem nicht grundsätzlich verpflichtet zu fühlen und auch eine gewissen Unverarntwortlichkeit zu praktizieren, halte ich für sehr wichtig.
40 tage und 40 gedanken für beate g. (15)
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