Es liegt am Plakat. Und am Titel der Ausstellung. Die städtische Galerie Neunkirchen, die mich ja nur selten mit Ausstellungen zu beglücken vermag, hat derzeit eine Sonderschau von Fritz Arnold. Einem Autodidakten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Und aus Neunkirchen! Das ist absolut sehenswert und war der eigentliche Grund, warum ich letztens den Schlenker zur Oberstadt hin machte. („…geh doch in die Oberstadt…“, aber in Neunkirchen nennen die das wirklich so). Parallel dazu läuft eine Ausstellung von Stefanie Gerhardt. Und tatsächlich findet sich dort das ein oder andere Stück spannender Malerei. Z.B. ein sehr kleines längliches Querformat. Präzise gemalt und doch unscharf. Nächtliche Szene, Wald, ein Baum im Vordergrund. Dahinter kauern, sehr klein, einige Menschen hinter einer kleinen Erhebung. Sofort schaltet mein Betrachterhirn auf Gethsemane. Aber das isses natürlich nicht. Das schwingt nur mit und das braucht es auch nicht. Ein sehr faszinierendes kleines Werk. Auch festgekrallt in meinem Hirn: der schlafende Schwan: Ein großes Bild, schwarzer Grund, darauf in weiß eine irgendwie ovale Form in Weiß. Diese wird strukturiert und als Schwan kenntlich gemacht nur durch die Struktur der in Ölfarbe gesetzten Pinselstriche. Sowas habe ich vor vielen Jahren auch mal probiert, Selbstbild auf weißem Grund. Aber bei Weitem nicht so überzeugend wie dieser schlafende Schwan, der seinen Hals an den Körper schmiegt. Sehr schön vor allem die oft auch sehr kleinen Bilder. „Mein erstes Kieselbild“ und „Mein zweites Kieselbild“. Hab ich die Titel richtig im Kopf? Das ist sehr fein beobachtet und auch gemacht. Dankenswerterweise wird diesen sehr kleinen Bildern (15×15, vielleicht 20×20 ?) an der Wand auch sehr viel Raum gelassen. Sie sind so präsent, dass sie auch eine große Fläche dominieren können. Gemalt ist das überwiegend Öl auf Alu. Manchmal sind die Titel gut (Kieselbilder, lapidarer Titel und eine unglaublich unlapidare Malerei, die sich daraus entfaltet), einmal allerdings hätte man sich gewünscht, man könne den Titel sofort wieder vergessen, weil er das Bild in seiner Aussage schmälert: Ein etwas farblich soft gehaltener Hase, der einen frontal anblickt, muss man nicht „mystical rabbit“ nennen. „Mystischer Hase“ klänge im Deutschen schon autsch. Wenn man es ins Englische überträgt, wird es dadurch not really besser. Warum die Schaukel (auch auf Englisch) „Swing“ heißen muss? Ein Titel voll von Überfluss. Ohne einen Titel, noch nicht mal „ohne Titel“, einfach nur das schaukelnde Kind in der Ausstellung: das wäre wirklich cool gewesen. Ein Bild mit Nachtschwärmern (Motten um ein Licht, bzw. kleine sensible Pinselhiebe um einen hellen Kreis) ist auch ein sehr augenfangender Hingucker. Manches andere etwas spekulativ oder durchaus schonmal so oder ähnlich an anderer Stelle gesehen. Bei der ersten kleinen Landschaft musste ich z.B. an Susann Gassen aus Mainz denken. Ach doch: der Kalligraph. Sehr realitsisch auf sehr viel weißen Untergrund gesetzt: ein asiatischer Maler, der am Boden hockend eine Kalligraphie pinselt. Das überzeugt dann doch durch seine Klar- und verdichtete Einfachheit. Und kommt dadurch an asiatische Bildideen mit europäischen Mitteln doch sehr gut heran. Warum hatte ich aber keine Lust, mir diese Ausstellung überhaupt anzuschauen?? Nicht nur wegen der ein oder anderen Enttäuschung in letzter Zeit, wo für mein Empfinden zu oft zu sehr auf das schnelle Weggucken geschielt war: Wer allzusehr auf das Publikum schielt, kann natürlich nicht mehr ganz so klar hinsehen. Nunja. Wie kann ich eine Ausstellung nur: „kopfüber himmelwärts“ nennen und auch noch mit dem Bild eines vor einem Sternenhimmel schaukelnden Kindes illustrieren? Das Bild entstammt natürlich wirklich der Ausstellung. Ist aber im Original sehr klein (20×20?) und in dieser Größe sehr intensiv, fein gearbeitet und von daher weit weg von irgendwelchem Seelenkitsch. Auf Plakatgröße hochgepimpt und zusammen mit diesem Titel kringeln sich einem ja eigentlich eher die Zehennägel. Man sieht nur mit den Zehen gut. Solche Titel kann nur Wim Wenders! Das hinter die Ohren schreiben. Bitte! Ich hätte da ja tatsächlich was verpasst, wenn ich mich an Presse, Plakat und Website orientiert hätte.