… durch Zufall ein Gespräch mit einer befreundeten Künstlerin, die grade etwas an die Stadt SB verkaufen konnte, das Gespräch ging dann um generelle Lebens- und Kunstplanungen, und sie berichtete von einer Ministerialbeamtin, die einmal ein bereits sei längerem ausstehendes Honorar drücken wollte mit dem Argument, Künstler hätten ja einen gewissen sozialen Auftrag und von daher gesehen hätten sie diese Arbeit sogar ohne Honorar machen müssen. Von dem sozialen Auftrag von Politikern, Ministerialbeamtinnen, Ärzten usw. mal abgesehen: alle bekommen sie Geld für das, was sie tun, manche befinden sich sogar im Status des Beamten. Also wie jetzt?
Aber das kennt man ja alles.
Der Gedanke arbeitete bei mir aber noch weiter, und eigentlich ist schon die Prämisse falsch:
DER KÜNSTLER HAT KEINEN SOZIALEN AUFTRAG!
ALLENFALLS HAT DER KÜNSTLER EINEN ASOZIALEN AUFTRAG!
UND BESTENFALLS HAT ER ÜBERHAUPT KEINEN AUFTRAG (von dem ein oder anderen gutbezahlten mal abgesehen).
Wurd vor kurzem interviewt; anbei eine Frage mit meiner Antwort:
„Hat Kunst einen gesellschaftlichen, politischen Auftrag? Wenn ja, welchen?“
„Mit Zuordnungen dieser Art tue ich mich schwer. Ich weiß nicht, welche Aufträge die Kunst im allgemeinen oder auch im besonderen hat. Darüber habe ich ehrlich gesagt auch nie nachgedacht.
Und wenn ja, gibt es dann so viele Aufträge, wie es Künstler gibt? Ich gebe meiner Kunst keinen Auftrag. Ich tue meine Arbeit. Male, zeichne, von Bild zu Bild. Das ist mein Auftrag.
Natürlich möchte ich nicht nur wahrgenommen werden, als jemand, der schöne Bilder mit schönen Farben malt. Das wäre zu wenig. (Aber was sind schon schöne Farben?)
Es gab Phasen, da hatten meine Bilder einen stärkeren, gesellschaftskritischen Impetus. Zumindest war das mein Fokus. Es hatte viel mit meiner damaligen persönlichen und privaten Situation zu tun. Daraus allgemein gültige Bilder zu malen, war eine Herausforderung. Ich glaube, das wurde hier und da auch manchmal so wahrgenommen.
Das waren dann sehr schöne Momente.
In aller Regel wird man ja eher missverstanden, was aber nicht weiter schlimm ist.
Die Menschen bringen ihre unterschiedlichen Erfahrungshorizonte in die Betrachtung von Bildern ein. Ich möchte niemandem etwas vorschreiben oder gar ein Rezept in die Hand drücken.
Ai Weiwei ist ja zur Zeit der Vorzeigepolitkünstler. Ich habe die Ausstellung in Berlin nicht gesehen, aber ich bin mir sicher, dass seine Person bekannter ist als sein Werk. Das Werk verschwindet hinter der politischen Figur. Er bedient möglicherweise unsere Vorstellungen und Klischees von politischer Kunst, vom politischen Künstler. Aber eigentlich es ist egal, was er macht. Niemand interessiert sich für die Qualität seiner Arbeit (Was ist überhaupt Qualität in diesem Zusammenhang?). Ist es wirklich politische Kunst? Er selbst nennt sich ja einen Aktivisten. Was würden die Installationen und Objekte erzählen, wüsste man weder etwas über den Urheber noch über die Umstände ihrer Produktion?
Bildende Kunst sollte im besten Fall zur Bildung beitragen. Eine Anleitung zum Sehen oder auch eine Möglichkeit, über uns und die Welt nachzudenken; in Form von Bildern.“
Gut, geht jetzt nicht ums Geld. Aber egal. Völlig d’accord. Das ist natürlich nicht nur Blödsinn, sondern unverschämt.
Ich bin einzig & allein höheren Wesen verpflichtet, denn die haben mich beauftragt. Ich arbeite nicht im Auftrag einer Gesellschaft. Ärgerlich, sehr ärgerlich. Sind anscheinend nicht auszurotten, solche irrigen Ansichten.
Manche Aktivisten verdienen mit Ihrer Kunst sehr sehr viel Geld.
Übrigens.
Meine Antwort wäre anders – und vielleicht doch vergleichbar – ausgefallen.
Anders deswegen, weil ich sehr viel über solche Dinge nachgedacht habe und nachdenke, vielleicht auf die kurze Formel gebracht: wozu das eigentlich alles und wenn ja in welcher Form und wo?
Und wenn ich dann antwortete, der Künstler habe einen asozialen Auftrag, so heisst das nix anderes, als dass er gefälligst seine Weltsicht, sein Ich zu erarbeiten und zwischen sich und die Welt oder in die Welt oder woauchimmerhin zu setzenstellenlegen hat, auf dass die anderen, die das wahr nehmen fröhlich (oder ärgerlich) ausrufen dürfen: so hab ich das ja noch nie gesehen.
Und deshalb finde ich auch das AiWeiWei-Bashing, das zur Zeit gerade in Künstlerskreisen die Rund macht und recht wohlfeil ist, ein wenig merkwürdig. Klar muss man jedem Hype mit Misstrauen begegnen, aber gerade der Text, den Du letztens auf facebook verlinkt hattest, macht es sich doch arg einfach und sitzt seinem eigenen Argument auf, dass manchmal ein Werk in der Fotografie besser aussieht als im Original. Nundenn: publiziert wird hier nur die Fotografie und behauptet, man brauche da gar nicht erst hinzugehen, weil das Original dem nicht standhält. Oder so ungefähr wenigstens.
Und was heisst das schon, dass man die Sachen ohne entsprechendes Hintergrundwissen nicht versteht?
Ist das nicht bei mindestens 60 % der Moderne und Nachkriegskunst ebenso der Fall?
Was fange ich mit dem Schwarzen Quadrat an, wenn ich nix über die Hintergründe weiß und Malewitschs Weg dahin?
Was fange ich mit Franz Erhard Walther an, wenn ich nix weiß über die Zeit und ihre Gedanken, in denen das entstanden ist?
Wie lese ich Ernst Jandl, wenn ich vorher nie ein anderes Gedicht gelesen habe?
Ich würde es mir eigentlich gerne ansehen, um mir ein eigenes Bild zu machen, anstatt den Fotos zu glauben. Kaffee trinken kann man dann anschließend immer noch.
Klar darf Kunst nicht nur die Illustration einer Idee sein ohne eigenen ästhetischen Wert.
Wenn dem so wäre, dann würden die aushängenden Beipackzettel in der Ausstellung wohl reichen.
Aber wie soll ich das Beurteilen ohne eigenen Augenschein???
Und gerade die Idee mit den vielen Stühlen ist eine, die mir, aus der Ferne zumindest, recht gut gefällt und einleuchtet.
Vielleicht entwickelt das im Original ästhetische Qualitäten, die man auf den Fotos nicht ahnt? Vielleicht auch nicht.
Klar verdienen „manche Aktivisten“ sehrsehrsehr viel Geld. Manche Politiker, deren Herz links schlägt, auch. Von denen, deren Herz rechts schlägt, wollen wir mal gar nicht reden.
Geschickt vermarktet werden aber andere auch. Neo Rauch hat Teile seines Frühwerks vernichtet, damit das den Anblick des dann vermarktberan Werkes nicht stört. Besser? Glaubwürdiger? (Und der hat sich auch clever verkaufen lassen und das, wenn man jetzt böse sein möchte, mit einer mit der Zeit recht durchschaubaren Bildstrategie: wir mischen ein bisschen sozialistischen Realismus mit einer Portion PopArt und malen das handwerklich sauber und geschickt mit entsprechend ästhetischem Reiz, auf dass die Käufer in den USA sich popartig wohlfühlen, aber den Kitzel des morbiden Ostcharmes spüren und . . .ach egal, auch das kann man, so man will, recht locker auseinanderpflücken, so wie man es fast mit allem machen kann, dazu gehört echt nicht viel)
Für mich die wichtige Frage in diesem Falle wäre: Entwickeln die Dinge eine (eigene) ästhetische Sprache? Berührt es mich? Öffnet es mir neue Türen zu den aufgegriffenen Themen? Bilden Form und Inhalt eine Einheit, zumindest nicht 1:1 auflösbaren Zusammenhang?
Augen auf im Straßenverkehr!
Natürlich kann ich die Dinge nur beuteilen, wenn ich die Dinge sehe. Im Falle von Ai Weiwei sehe ich da übrignes eine erstaunliche Parallele zu Jonathan Meese. Auch ein Künstler, über den erstaunlich viel gesprochen wird. In den meisten Fällen rückt das Werk auch da in den Hintergrund. Es scheint zu genügen, wenn man sich über ausgestreckte Arme unterhält, ohne sich Gedanken über das „wozu das eigentlich alles und wenn ja in welcher Form und wo.“
Ai Weiweis Ausstellung in Berlin habe ich übrigens gesehen. Berührt hat mich erstaunlich wenig. Die Dinge, die zu sehen sind, sind erstaunlich schlüssig, durchdacht. Kühl, distanziert, kalkuliert, berechnend.
Ich sehe tausende von Hockern & denke: Uiuiui! So viele Hocker!
Man sieht alles andere & denkt: „Jaja, so ist das wohl“. Man liest die Texte & Geschichten an den Wänden zu den Werken, die berührender wirken als die Artefakte.
Gebrauchte Gegenstande haben ihren Charme. Ein alter Stuhl aus dem Haus meiner Mutter löst bei mir Gefühle, Erinnerungen aus. Mehr als tausende von Hockern, deren Handwerkliche Verarbeitung ich zwar bewundern kann, aber einzig die Zahl soll mich überwältigen?
Grundsätzlich aber spaltet mich die Geschichte um Herrn Ai Weiwei & seine Kunst. Ich sehe die Dringlichkeit, über die Dinge zu reden, auch in Form von Bildern. Ich finde die Umstände, bewundernswert, unter denen diese Dinge entstehen & bin gleichzeitig verunsichert über die Produktion, die so fabrikmäßig daherkommt & so mehr an Arbeiten von Jeff Koons erinnert.
(Ein Stillleben von Morandi rührte mich fasst zu tränen, als ich die Umstände seiner Entstehung, die damit verbundene Demut, Bescheidenheit & Absichtlosigkeit in diesem Moment zu spüren glaubte)
Das ist schön, dass Du sagst, dass Du dort warst. Und aus der Ferne geht es mir genauso: wenn die Geschichten zu den Arbeiten berührender sind als die Arbeiten selbst, dann genügte es durchaus, die Geschichten an die Wand zu heften und genug. Ich sehe da ähnliche Problematiken wie Du. Man kann ja auch darüber streiten, ob das, was Frau Abramovic da grade in London in der Galerie macht, grundsätzlich etwas anderes ist, als das, was in diversen esoterischen Selbsterfahrungssemninaren allwöchentlich veranstaltet wird. (…um Dein Beispiel alter Stühle aufzugreifen, die natürlich immer eine Patina haben). Die Frage ist halt: wird da mehr draus oder bleibt es nur bei dieser Patina…