Zitatewitsch

Lese ich eben auf facebook. Ein Kommentar von Joann Sfar.

 

Jeunes artistes, si vous gardez en tête que le dessin est une écriture, vous survivrez à toutes les révolutions technologiques. Ne lâchez pas le crayon et le papier. Choisissez les outils les plus simples: une plume noire pour le trait et faites tout à la main. Plus que jamais le public est avide de voix humaine votre trait c’est votre voix. Quarante ans a subir du sample et de l’autotune et je n’ai jamais autant aimé Brassens. Avoir peur des inventions technologiques c’est un aveu de faiblesse, je crois. Nous ne sommes pas en compétition avec les machines. Au contraire elles renforcent notre singularité…à condition qu’on ait quelque chose à dire. Travaillez votre voix et votre trait. Le „ce qu’on te reproche, cultive-le“ de Cocteau.

Was man Dir vorwirft: kultiviere es!

 

„Nicht Provokation, nicht Widerstand, auch nicht Wohlklang oder Artistik könnten die Kunst in unserer Zeit noch retten, sondern einzig und allein eine naive Absichtslosigkeit. ‚Ungeschützte‘ Äußerungen seien das Einzige, womit wir noch Aufmerksamkeit gewinnen könnten. Es gehe um das nackte persönliche Statement. Lachenmann meinte, vielleicht sei dies das Ende der Avantgarde, der ‚Großen Kunst‘. Alle elaborierten Themen, alle Virtuositäten und Formspiele, alle Erfolgsrezepte, mit denen wir uns schützen könnten, seien im Grunde wertlos geworden. Wir seien verletzbarer denn je und täten gut daran, das – fern von jeglicher Koketterie – auch zu zeigen.“

Edgar Reitz in „Filmzeit Lebenszeit“

Zitatewitsch

Doris Dörrie schreibt in ihrem Büchlein „LEBEN-SCHREIBEN-ATMEN – eine Einladung zum Schreiben“ ein paar Dinge, die natürlich auch auf`s Zeichnen zutreffen können:

„Zu schreiben bedeutet, sich jeden Tag wieder aus dem kleinen, ordentlichen Garten mit gemähtem Rasen und Blumenrabatten herauszuwagen in den Dschungel. Dorthin, wo wilde Pflanzen wachsen und gefährliche Tiere umherstreifen. Dorthin, wo die Geschichten nicht mehr hübsch und ordentlich sind, sondern schillernd, giftig, schmerzhaft und wüst. Interessant ist nie die Beschreibung unseres schönsten Ferientags, sondern die des schlimmsten. Wir verbinden uns über die schlimmen Geschichten miteinander, nicht die hübschen. Über die, in denen wir nicht gut dastehen, nicht moralisch gehandelt haben, versagt haben, verletzt worden sind, gescheitert sind.“

Schlotterdeich

In der ZEIT vom 8.4.2020 ein Interview mit Peter Sloterdijk. Folgender Auszug. Including my new Lieblingswort.

Sloterdijk: Wir erleben ein großes medientheoretisches Seminar. Man erkennt, im Ausnahmezustand entsteht Monothematismus. Dann sieht man erst richtig, wie moderne Gesellschaften in ihren Stimmungen von Tag zu Tag gewoben sind. Dank der Medien leben wir in Erregungsräumen, die durch wechselnde Themen gesteuert werden. Themen sind Erregungsvorschläge, die von der Öffentlichkeit angenommen werden oder nicht. Dabei schießen die Medienmacher immer etwas Übertreibung zu. Denken Sie an die AfD-Aufregung im Lande: Sie ist ein Luxusthema für unterbeschäftigte Übertreiber. Denken Sie an die Me-Too-Welle: Sie hatte einen ernsten Kern, um den lagerten sich sofort die Übertreibungsunternehmen an. Denken Sie vor allem an den Terrorismus. Über den wurde zumeist im Modus der Halbernsthaftigkeit berichtet, man durfte und musste immer zusätzlich übertreiben. Ein Mann wird getötet, 82 Millionen sollen sich bedroht fühlen, die freiheitliche Demokratie wankt.

ZEIT: Sie meinen, die Medien verfehlen ihre Aufgabe, maßvoll zu informieren?

Sloterdijk: Aus der Sicht der Medien ist etwas, das passiert, nie schlimm genug. Man weiß ja nie, was wie schlimm ist. Das entspricht im Übrigen der klassischen Rhetoriklehre. Quintilian sagte: Bei Gegenständen, deren Bedeutung und Dimension nicht sicher bestimmt werden können, ist es besser, zu weit zu gehen als nicht weit genug.

ZEIT: Und jetzt übertreiben wir bei Corona?

Sloterdijk: Bei Corona erleben wir zum ersten Mal, dass die Anfangsübertreibungen durch die Geschehnisse eingeholt werden. Das ist ganz neu. Zuerst dachte man, die Medien schreiben die Dinge hoch, weil es ihr Job ist, zu übertreiben. Aber nein, heute ist eine nüchterne Beschreibung der Verhältnisse in italienischen, französischen, spanischen Krankenhäusern schlimm genug, um Nachrichtenwert zu haben; tendenziell ist es sogar zu schlimm für realistische Berichte. Wir zählen Leichen, für Übertreibungen ist kein Platz mehr. Die Medien würden jetzt lieber die Probleme verkleinern, statt zu dramatisieren. Die Zahlen steigen, die Bilder halten sich zurück. Sehr ungewohnt.

 

Und jetzt zu meinem new Lieblingswort: Themen sind Erregungsvorschläge! C`est ca, je crois. Wenn ich klug gewesen wäre, hätte ich gerne bei Schlotterdeich studiert. Aber so blieb nur die verborgene Karriere als Kritzelonkel.

Zitat

“ Für mich ist Design, wozu Menschen sich aufgrund ihrer Bedürfnisse entscheiden“, sagt Kraš. „Design ist nicht Dekoration. Design ist, etwas zum Funktionieren zu bringen. Design ist ein Denkprozess, das Lösen eines Problems:“

Ana Kraš im ZEIT-Magazin vom 2.4.2020

Und: „Und ich versuche immer Spaß bei der Arbeit zu haben. Wenn man Spaß hat, zweifelt man nicht. Man zweifelt nur, wenn man krampfhaft versucht, ein Statement zu machen.“

Zitatewitsch

Judith Polgár antwortet im ZEIT-Interview auf die Frage, was für sie Schönheit im Schach sei, mit der für mich schönen Antwort: „Schön ist das Unerwartete. Das, was nicht den Mustern entspricht und trotzdem funktioniert.“

 

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Judith Kerr

Letzte Woche in der Samstags-taz ein schönes Interview mit Judith Kerr, die vor allem mit ihrem Buch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ bekannt geworden ist. Ihr Vater war der Theaterkritiker Alfred Kerr. Sie selbst hat sich immer als Zeichnerin gesehen. Und tut dies auch noch heute, im zarten Alter von 95 Jahren. Sie berichtet davon, dass ihre Mutter ihrem Zeichnen kritisch gegenüber stand, seit sie versuchte, daraus einen Beruf zu machen. Es seien da immer diese Zeichner gewesen, die kein Geld hatten. Ihr Vater dagegen habe sie immer ermutigt, wenn sie mutlos war.: „…Ich habe ihm einmal gesagt, als es wieder nicht gutging: Warum mache ich das eigentlich, ich könnte doch mit meinen drei Sprachen gutes Geld verdienen. Und er hat mir gesagt: Wenn Du es nicht tätest, dann würdest du immer weniger gut von dir denken.“ Und sie kommt darüber hinaus zu dem Schluss: “ Für mich ist der Unterschied, ob man etwas außerhalb mehr als sich selbst liebt. Ich glaube, wenn ich nicht Zeichnerin geworden wäre, vielleicht hätte ich dann eine Religion gebraucht – God forbid, bloß nicht. Aber man baucht etwas, das größer ist als man selber, und für mich ist es das Zeichnen. Für meinen Vater war es das Schreiben. Dann muss man das auch tun, so weit wie möglich.“