Peter Weibel lügt

So heißt nicht nur ein Vogelbild (Nr. 1382), dies war der Satz, auf den ich meine Eindrücke der Ausstellung im 21er Haus in Wien komprimiert habe. Eine Übersichtsschau mit Arbeiten von Peter Weibel, die noch bis zum 18.1. unter dem etwas reißerischen Titel „PETER WEIBEL – MEDIENREBELL“ zu sehen ist. Vor Jahren hatte ich bereits eine kleine Übersichtsschau in der Akademie der Künste in Berlin gesehen, die mich angenehm beeinruckt hatte. Da schien einer wirklich etwas wissen zu wollen und radikale Fragen zu stellen.

Deshalb war ich sehr gespannt auf diese Wiener Präsentation. Ein Raum voller Ideen und Videos und Dokumentationen und man denkt: wow, das kann spannend werden! Doch schon relativ schnell stellt sich ein fader Beigeschmack ein, den man nicht wirklich benennen kann.

Nicht dass es nicht Arbeiten gäbe, die funktionieren. So kann man am Anfang Musikstücken lauschen, für die er in den 70ern die Texte geschrieben hat und die er auch selbst singt, und für Liedzeilen wie „Liebe ist kein Hospital“ gehört einem schonmal ein großes Lob ausgesprochen. Auch zwei Tafeln mit lapidar hingeschriebenen Statements wie „Ich glaube an den Untergang der Welt. Aber ich glaube nicht an den Untergang des Kapitalismus“ sind in ihrer Einfachheit frappierend überzeugend.

Doch schon relativ schnell stellt sich dieser merkwürdig  fade Beigeschmack ein.

Am spannendsten sind dann doch überwiegend die radikalen Performances aus den 60ern zusammen mit Valie Export, sowie Oswald Wiener usw. usf. (Zu den großen Verdiensten Peter Weibels zählt auch die Herausgabe des großen Kataloges zur Wiener Gruppe, der 1997 zur Bienale in Venedig erschien).

Doch bei vielem anderen aus der späteren Zeit vermisst man etwas.  Und man weiß erstmal nicht was.

Worum es geht ist klar: Der Mensch hat sich selbst zu definieren, seine Rahmenbedingungen selbst abzustecken und erst einmal nichts um ihn herum anzuerkennen. Ein Akt selbstdenkender Befreiung.

Doch viele Arbeiten sind Kopfgeburten. Ein Container, in dem zerknülltes Papier liegt und dazwischen die Buchstaben des Wortes WIND aus Neonröhren nachgebogen sind und der Reihe nach aufleuchten. Aha: Hier sieht es aus, als hätte der Wind alles verweht, aber obacht Du Zuschauer, dem ist nicht so, der WIND existiert hier nur als Wort und Du sitzt einem Trugbild auf! Für wie doof wird man hier eigentlich gehalten? Und zu jeder Arbeit ein Beipackzettel mit Erklärung.

Und wie so oft: diese würde eigentlich bereits genügen.

Ästhetisch geben die Arbeiten kaum etwas her (das war meiner Erinnerung nach in Berlin etwas anders) und sind meist platte Illustrationen des dahinterstehenden (oft ebenso platten Gedankens).

Ertappt habe ich Peter Weibel aber in den fotografischen Arbeiten, in denen er Wörtern im öffentlichen Raum einen Zettel oder eine Notiz zufügt, die diese ergänzen, und wohl „entlarven“ sollen. So stellt er sich beispielsweise unter das Schild einer Polizeiwache, auf dem POLIZEI zu lesen steht und hält einen Zettel drunter, auf dem steht LÜGT. Unglaublich erhellendes Statement.

Nungut. Aber viel erhelleneder ist: Auf all diesen Fotos guckt auch Peter Weibel als Person selbst in die Kamera. Wozu? Man hätte ja auch einfach auf das Foto schreiben können: LÜGT. Nee, Peter muss mit auf’s Foto.

Und das hängt damit zusammen, weil ER uns die Welt erklärt. ER ist das Zentrum der Erkenntnis.

Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Und hier lügt nämlich Peter Weibel. Es geht ihm nicht darum, dass der Mensch sich wahrnehmend und denkend befreit, es geht ihm darum, dass ER dem Menschen erklärt, wie die Welt funktioniert. Und dies ist einfürallemal keine Befreiung, sondern Bevormundung.

Und wenn man das kapiert hat, wird einem die Ausstellung erst recht schal. Und man denkt: Wieviel Aufwand für wiewenig Erkenntnis!

Und wiesehr ist doch das Wort Witz mit Geist verwand.

Und Witz findet man bei Peter Weibel keinen.

Obwohl der Anfang ja eigentlich nicht schlecht war.

 

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