landeskunstding, heute: Kulturbahnhof SB

wollte ich unbedingt noch sehen. auf den dort letzten drücker quasi. und ja: da gab es durchaus sachen, wo ich froh war, es noch geschafft zu haben. über KARIN MAGARs abstrake arbeiten aus nylonstrümfen hatte ich im vorfeld schon gelesen, war aber doch sehr überrascht und beeindruckt über die farbliche frische dieser arbeiten. und auch über die formvielfalt dieses klaren, aber trotzdem nicht langweilenden ansatzes. mit dieser farbenfreude ging es schon los. die gemälde von CORDULA SUMALVICO zeigen Figuren. „Loslassen“ wäre z.bsp. ein bildtitel. hier arbeitet sich jemand an grundsätzlichen menschlichen relationen ab, vielleicht sogar an eigenen biographischen erfahrungen. nicht uninteressant. scheint derzeit auch ein beliebter bildansatz. trotzdem lässt es einen auf eine interessante art kalt. und distanziert abseits. ich erkenne eine gewisse sambolik (ausgegossene eimer), von farbskratzern unterbrochene hand-reichungen usw. usf. es bleibt aber alles ein bisschen kopflastig. KERSTIN ARNOLD im raum daneben macht ähnliches. mit viel weniger symbolik. und vor allem: mit einer, zumindest was die figuren angeht, fotorealistischen maximalperfektion. die hintergründe (farbige punkte, rechtecke etc.) sind dagegen malerisch „durchschaubarer“, einfacher angelegt. aber diese bilder lassen einen nicht kalt. was gelingt KERSTIN ARNOLD, was CORDULA SUMALVICO nicht gelingt und warum? CORDULA SUMALVICO setzt ihre figuren erkennbar gemalt in szene. mich erinnert das ein bisschen an den mittleren und späten MAX BECKMANN, dessen bilder aus diesen jahren ich auch meist nur als eine art kasperltheater wahrnehme. ich erkenne es als malerei. ich erkenne es als inszeniert. ich sehe, da will mich jemand mit symbolik überzeugen. das ist sehr „literarisch“ im sinne der gestaltwerdung von gedanken und ideen. KERSTIN ARNOLDs Fotorealismus ist kein Selbstzweck, sondern führt dazu, dass ich die figuren als menschen wahrnehme und nicht als gemaltes personal. und da sie die gesichter und haltungen präzise beschreibt und ausarbeitet, wirkt das auch glaubwürdig und überzeugend. und wenn sie dann als mensch eine figur in ihrer hand betrachtet, dann ensteht hier auch eine symbolik, die sich aber nicht billig entschlüsseln lässt. das ist, finde ich, eine sehr coole und gekonnte malerei, die auch inhaltlich vieles von dem gewollten hinter sich lässt, was in dieser landeskunstausstellung zu sehen war und ist. hier brauche ich keine beschreibung, die etwas daherdichtet, was es nun sein soll. das sehe ich von ganz allein. anders als z.b. bei diesem bett von ELODIE GRETHEN, deren Odaliske im saarlandmuseum ich ja durchaus geschätzt habe. das bett wird wie folgt betextet: „Die blaue Bettwäsche legt die Vorstellung nahe, die Künstlerin sei zugegen gewesen und gerade eben verschwunden. Das Bild verströmt eine tief melancholische Stimmung. Keine Rede mehr von Dialog, eher von Selbstbetrachtung.“ ich möchte sagen: nö, tut es nicht. es verströmt keine tiefere melancholische stimmung als das von mir morgens verlassene und ungemachte bett, wenn ich aufstehen muss, um meinem brotberuf nachzugehen. deshalb muss das ja auch extra nochmal gesagt werden. nur wo „lustige kneipe“ draufsteht, ist auch „lustige kneipe“ drin. und irgendwie peinlich finde ich auch, dass neben der schönen blauen bettwäsche an der wand ein zettel prangt mit dem roten schriftzug von möbel martin, mit dank für die spende aus dem schauraum. datt stört rein farblich. und stört auch die zutiefst melancholische stimmung. und erzeugt eine zutiefst schleimspurerisch kaptalistische stimmung. nej tack, wie der schwede (und die schwedin) zu sprechen pflegen. das video mit den nachgestellten haltungen von frauengestalten aus der kunstgeschichte erinnert dann wieder an den geist der odaliske und ist durchaus ok. vor allem immer die stelle, wo das modell scheinbar ein vor-bild betrachtet und so peu à peu seine eigene körperhaltung danach ausrichtet. aber: KERSTIN ARNOLD. Yepp!

fortsetzung landeskunstding

jetzt schon wieder eine weile, sprich zwei wochen, her, dass wir den part stadtgalerie besucht haben. und überrascht gut unterhalten wurden. nunja, wer will schon unterhalten, bzw. unterhalten werden. aber, station nummer 1: ARTHUR DEBERT mit seinen gegenständen auf niedrigschwelligen sockeln, die man nach eigenem gutdünken umstellen, anders anordnen durfte etc. klang und sah ja auf den ersten blick ein wenig nach mitmachtheater aus, hat sich dann aber doch als gar nicht so blöd herausgestellt. da viel dieser gegenstände so überhaupt wenig anmachendes, inspirierendes hatten (mit ein oder zwei ausnahmen), erwies es sich als umso vergnüglicher, sie tatsächlich umzumodeln und dem jeweiligen plateau (plateau passt besser als sockel) etwas sinnvolles abzugewinnen. ich fand, man dürfe die sachen natürlich auch nebendran stellen. wer sich traut hat spaß und bekommt vielleicht auch eine idee von dem, was man künstlerischen prozess nennen könnte. ca m’a plu. die bilder von vera loos. eins davon hatte einen wirklich guten titel. MARGAUX MORITZ aus metz zeigte ein ästhetisch nicht viel dahermachendes talisman-häuschen auf einem sockel (und diesmal ist es wirklich einer). und dieser mangel an künstlerischem entgegenkommen ist hier genau das surplus. hier wird nix überästhetisiert wie bei PAULETTE PENJE im saarlandmuseum. aber die ideen, die sich damit verbinden, finde ich sehr sympathisch. das ist für mein gleichgewichtsgefühl ein angemessenes vehältnis einer idee und ihrer gestaltwerdung. interessanterweise kommt der text dazu auch völlig ohne die mir verhasste kunsthistoriker*innen-poesie aus. er beschreibt einfach, das was ist und das was gedacht ist. da wird nix reingeheimnist. alle beschriebenen dinge sind durchaus klar und nachvollziehbar. ganz anders als bei SUZAN NOESEN aus luxembourg. bildschirme, auf denen gesichter argumentieren. unterschiedliche typen „normal“, „euphorisch“ etc. ich hab vergessen, was jetzt die genauen temperamente waren. leider alles auf englisch. pourqoui ca? sind wir auf der bienale in venedig?? wenn es auf das gesagte ankommt, und wenn die arbeit in saarbrücken gezeigt wird, warum nicht auf deutsch? oder wenigstens französisch mit deutschen untertiteln? man soll und darf sich dann in die runde der bildschirmgesichter einfügen und teil des gesprächs werden. vielleicht wäre es interessanter, wenn man es dann wenigstens unvermittelt wahrnehmen könnte? untertitel kann auch JULIAN ROSEFELDT. Ok, ich bin grad ein wenig verdorben durch seine Arbeiten, ich erwähnte das schon. schade, eigentlich. FRANCOIS SCHWAMBORN zeigtn videoprojektionen. leider verdirbt es einem hier der text ein wenig, weil er nicht verschweigen kann, dass es sich um verlangsamte bilder und töne von wasser handelt. vorher waren das zum teil durchaus faszinierende bilder und töne. nachher hat man dann das wasser gesehen. „Entschleunigung wird hier als Werkzeug benutzt, um der Bewegung des Wassers eine größere Bedeutung zu verleihen, es wirkt erhaben und zugleich bedrohlich.“ nö, irgendwie nicht. eher entzaubert. nungut.  ich dachte zuerst, ich hätte so etwas ähnliches damals in dieser „tod“-ausstellung in der stadtgalerie von ihm gesehen, was mich damals sehr beeindruckt hatte (war auch derselbe raum), in seiner vita erwähnt er das allerdings nicht. muss also jemand anderes gewesen sein.  CHRISTIANE WIEN zeigt gebogene betonplatten, in denen sich rauschen spiegelt und bricht. der ausstellungs-aufseher kommtiert das bei unserem besuch etwas lapidar mit: „physik halt“. wir fanden es aber doch ein wenig interessanter als nur physik.

alle während der aufführung gezeigten zeichnungen

Die Aufführung fand statt im Rahmen der Saarbrücker Sommermusik. Ralf Peter, Tenor und Inszenierung. Nadja Steinhardt, Alt. Thomas Layes, Flügel. Die Bilder wurden auf die komplette Wand an der hinteren Stirnseite des evangelischen Gemeindesaals projiziert. Die Wände in diesem Gebäude sind für Projektionen schwierig, weil wenige, aber doch recht breite, zart-orange angemalte Balken die Wände „zieren“. Im letzten Jahr bei Schönbergs Gurreliedern haben wir dann nur eines der dadurch entstehenden Rechtecke als Projektionsfläche genutzt: Über der Bühne war also immer ein Bild zu einem Lied zu sehen. Das sollte diesmal anders werden: größer, raumgreifender. Doch sah die Projektion auf den Balken einfach nur scheiße aus. Ralf sah das vor mir, als er die Projektion eingerichtet hat. Und hatte die Idee, die Projektion vermittels schwarzer Streifen, die er in Powerpoint eingefügt hat, genau über den Balken zu unterbrechen. Ein gewagtes Spiel und er wollte es mir irgendwie schonend beibringen. Brauchte er aber gar nicht. Das Ergebnis hat mich vom ersten Moment an nicht nur überzeugt, sondern regelrecht umgehauen: So etwas kann man sich im Vorfeld nicht ausdenken: Die orange-Balken erschienen wie schwarze Leisten eines Fensters oder eines Paravents (wozu das milchig und warm wirkende Weiß der Projektion noch beigetragen hat). Genial. So etwas bekommt man im Leben dann manchmal einfach so geschenkt. Von der Darbietung der Musik ganz zu schweigen. Nadja Steinhardt war letztes Jahr beim Gurre schon ein Gänsehaut-Moment und Thomas Layes am Flügel ist einfach nur Kunst pur. Ein Künstler durch und durch. Voller Empfindung und Verstand und in der Lage, das auch in seinem Klavierspiel auszudrücken.

Veranstaltungstipp

jetzt am Freitag, 18.8.23, 20 Uhr,
Evangelisches Gemeindezentrum St. Johann
Evangelisch-Kirch-Straße 27
66111 Saarbrücken
https://www.saarbruecken.de/…/saarbruecker_sommermusik