Armin Rohr hatte auf facebook folgenden Artikel aus der ZEIT verlinkt. Das ist interessant, aber ja nicht unbedingt was Neues. Da Sonntag ist, und man sich sonntags gerne mal über Dinge aufregt (man hat ja meistens Zeit, obwohl ich eigentlich grade heute nicht…), konnte ich nicht umhin einen kleinen Kommentar abulegen. Hier erstmal der link zur ZEIT:
http://www.zeit.de/2013/40/gegenwartskunst-konservativ-ausstellung-kiel/seite-2
Mein Kommentar (ungekürzt und unverändert):
Die Kunst beginnt dort, wo der Geschmack aufhört. Und mich erinnert das immer ein bisschen an das, was man über das 19. Jahrhundert liest: Ein erfolgreicher ausgeprägter Akademismus mit Malerfürsten, die einen Haufen Geld für ihre Werke erhalten und vom gepflegten Bürgertum bewundert und hofiert werden, dagegen die aufbrechende Avantgarde, die sich ästhetisch dagegenstellt. Unser Akademismus sieht halt heute so aus wie das Avantgardistische früher oder tut zumindest so. Nur hat halt keiner einen wirklichen Plan. Und alle wollen da mitmachen. Wenn man in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, muss man sich halt nicht darüber wundern, dass man in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Die Grünen haben als Partei da ja ein vergleichbares Problem. Kunst ist ein Dagegen und nicht ein Mit. Aber das wird noch eine ganze Weile so weitergehen. Man sollte nicht müde werden, es auszurufen: Kunstrankings, das Guiness-Buch der Rekorde, Wettbewerbe, Stipendien sollten abgeschafft werden. Kunsthochschulen, die es sich auf die Fahne geschrieben haben, die Anpassung zu fördern, den Künstler als Wirtschaftsfaktor zu begreifen, sind ein Ausdruck all dieser Problematik. Und schön ist ja auch, wie einer der ZEIT-Artikel-Kommenatoren darauf hinweist, wie die ZEIT selbst Teil des Problems ist. Was für links finden sich im Anschluß?
ACHTUNG! Das ist eine ( nicht ernst? gemeinte) PROVOKATION! eines Laien und Unwissenden:
„Ätsch, ihr braucht uns doch. Wir, die wir in eueren Kursen mit mehr oder weniger Ahnung und Geschick Bilder anfangen, die ihr dann fertig malt und die wir dann in unserem Freundeskreis anlässlich einer „Vernissage“ für gutes Geld verkaufen. Wie Versicherungsvertreter, die anfangs auch ihren Bekanntenkreis abgrasen müssen. Und wir haben’s doch gut, müssen nicht von unserer „Kunst“ leben. Neidisch? Und die Wände hängen mit unserer „Kunst“ voll.
Und dann gehen wir am Tag der Bildenden Kunst noch Künstler gucken, damit wir eine „fachliche Kritik“ im Freundeskreis (wir haben ja Ahnung, gehen einmal die Woche zum VHS-Kurs „Malen nach Zahlen“) unter die Menschheit bringen können mit dem Hinweis: „… und schau mal, meine Bilder sind auch nicht schlechter“.
Ihr Künstler müsst mit UNS leben. Denn die wahren Künstler sind doch wir Laien, von Euch aus-, weiter- und eingebildet! Und dann schreibt ihr noch selbst :“ Kunst beginnt dort, wo der Geschmack aufhört“ und in dem Artikel in der Zeit von Dr. Rauterberg schreibt dieser: „…dass die Kunst lange stolz war auf ihre Zwang- und Nutzlosigkeit.“ Passt doch auf uns eher wie auf Euch Künstler.
Und da ihr nicht zu uns kommt, kommen wir zu Euch. Am „Tag der Bildenden Kunst“ oder auf die „Welt der Familie“!
Ach, ist Kunst so schööön. Wo malen sie denn?
Hallo Ekkehard,
ich weiß jetzt gar nicht, ob ich diese „PROVOKATION“ in allen Details so ganz verstehe…es scheint mir z.Teil eine Antwort auf etwas, was ich gar nicht gemeint habe…“Kunst beginnt dort, wo der Geschmack aufhört“ ist der Untertitel des Buches „Das Glück zu sehen“ von Jean-Christoph Ammann, seinerzeit Leiter des Museums für Moderne Kunst in Francoforte. Mir ging es in meinem Kommentar weniger um Amateure und Nichtamateure und was das alles sein soll und wer wem irgendwas fertigmalt (was ich generell nicht tue), sondern um das kunstbetriebliche Geschehen, wie es sich heutzutage so abspielt. Und da scheint mir, dass sich, auch ge- und befördert von diversen Hochschulen, die Künstlerkolleginnen und -kollegen doch nur allzugerne und bedenkenlos den gängigen neoliberalen Gepflogenheiten unterordnen, anstatt ihr Ich und ihre Sichtweise zu behaupten. (Da wird einem scheinbar eher geraten, eine Marke zu schaffen, wiedererkennbare Bilder zu liefern, damit man sich auf dem Markt der Aufmerksamkeiten positioniert. Und das wird dann oft mit einem Stil oder Konsequenz oder Ernsthaftigkeit verwechselt…) Mir geht es dabei nicht um Provokation als solche oder um deretwillen, sondern um Anpassung oder Wagnis. Und ein Wagnis kann es z.B. auch sein, völlig zurückgezogen irgendwo in der Nähe von Bologna Stilleben mit Flaschen zu malen. Aber schlimm finde ich diese Event-Kultur, die, wie im Falle des Tages der Bildenden Kunst plötzlich überall Ateliers aus dem Boden zaubert, wo bis gestern teilweise noch keine waren und man irgendwann einen Phil-Collins-Effekt erreichen wird. In den 80ern und 90ern wurde Phil Collins so oft auf den einschlägigen Radiosendern gedudelt, dass es tatsächlich Sender gab, die Phil-Collins-freie-Tage angeboten haben, weil man es einfach nicht mehr hören konnte. Und irgendwann wird man einfach auch keine Kunst mehr sehen können. In Mainz gibt es seit Jahren eine Veranstaltung namens 3xklingeln. Dort kann man dann in Privatwohnungen der Mainzer Neustadt bekanntere und unbekanntere Künstler sehen, die sich auf diese Privaträume einlassen und die, trotz der auch hier gebotenen Vielfalt der Ansätze, genug Anlass zu interessanten Seh- und Denkerfahrungen bieten. Das finde ich überzeugender und es hat auch nicht diesen Event-Kultur-Touch.
Das war es so ungefähr, um das es mir ging.
Liebe Grüße.
Klaus
Hallo Klaus,
„Die Bedeutung der Botschaft gibt der Empfänger“, heißt es. Ich glaube, wir haben aneinander vorbei geschrieben. ICH wollte provozieren und das, was Armin Rohr, Du und der Artikel in der Zeit aussagen, nur bestätigen – halt sarkastisch aus der Sicht eines Laien, der, wie Armin Rohr es schreibt, einmal im Jahr „Künstler gucken“ geht. Nur um diesen Typ der Besucher ging es mir.
Naja, ist offensichtlich nicht gelungen. Aber auch nicht jedes Bild gelingt.
Da ich das Glück habe, einige Künstler zu kennen und mich seit 15 Jahren (neben meinem Beruf) um Wissenserweiterung im künstlerischen Bereich bemühe, bin ich ja Deiner/Eurer Meinung – wie gesagt, wollt’s nur mal anders darstellen. Und meiner meiner Lehrmeister, Prof. Heribert Mader, hat genau das gemacht, was Du über das Wagnis eines Künstlers schreibt. Er hat
( zurückgezogen) über einen gewissen Zeitpunkt nur Flaschen gemalt. Ich bringe das daraus entstandene Buch evtl. zum nächsten Kurs mit.
Jetzt hoffe ich, daß ich Deinen Puls nicht allzu sehr ( unabsichtlich) in die Höhe getrieben habe
Viele Grüße
Ekkehard
Puls war absolut ok! Non c’è problema. Auf das Buch bin ich mal gespannt, ich für meinen Teil meinte natürlich Giorgio Morandi, werfe das dann demnächst auch mal in die Runde…