Kunsthistoriker:innen-Poesie, Nachtrag

Das Schlimme an dieser Kunsthistoriker:innen-Poesie ist ja, vor allem, die Fallhöhe zwischen dem, was da alles herbeibehauptet wird, und dem, was ich auf den Leinwändchen vor mir sehe.

Besser wäre es doch, man und woman machte nicht so viel trara und behauptete, man/woman male eigentlich einfach nur gerne bunte Bilder, und dann haut es einem beim Betrachten einfach nur noch vom Sockel. Das wäre doch der Hammer und ein Aha!

Aber wenn es denn einen Spätkapitalismus gibt, dann wäre doch eines seiner konstatierbaren Merkmale das ungeheure Geschrei, das überall verbreitet wird.

kritik

by the way, gestern hab ich tatsächlich und völlig überraschend einen wirklich wunderbaren Film gesehen, auf DVD, zuhause, ausgeliehen in der wohlsortierten Neunkircher Stadtbibliotheque:

POOR THINGS. von Giorgos Lanthimos. mit Emma Stone.

noch fehlen mir die Worte. Aber eigentlich will man das sofort nochmal sehen.

noch einer (weil ich noch nie so falsch war auf dieser welt)

Hier ein Text aus instagram. Die saarländische Galerie in Berlin betextet eine Ausstellung von Darja Linder.
Und dieses herausragende Beispiel zeitgenössicher Kunsthistoriker:innen-Poesie goes like this:

Darja Linders @darjalinder figurative Malereien und Installationen sind gespickt mit visuellen Codes, die sich auf die Erfahrungswelt ihrer Generation beziehen – von Dating Apps über Fernsehserien bis hin zu Internetphänomenen. Die farbintensive und schrille Ästhetik ihrer Arbeiten spielt mit der spätkapitalistischen Sehnsucht nach Übersättigung und Überfluss. Sie wirkt jedoch als bunt schillernde Oberfläche, unter der sich häufig schmerzhafte Themen verbergen.

Es werden Fragen aufgeworfen zu Klasse, Geschlecht oder Migration. Linder beobachtet die Zusammenhänge zwischen politischen (Macht-)Strukturen und individuellen Begierden. Sie untersucht in ihren Werken, wie tief individuelle und kollektive Erfahrungen in unsere Identitäten hineinreichen.

->  Spätkapitalismus ist immer super. Damit spielen ist auch immer super. Und dass der Spätkapitalismus, wer oder was das immer ist, davon abgesehen, ob wir uns wirklich in einer spätkapitalistischen Phase bewegen (wer sagt das, wer weiß das, wer hat das nachgemessen?), geprägt ist von dieser im Text behaupteten Sehnsucht: stimmt das denn? Oder ist das einfach mal eine wohlfeile Behauptung, die sich einfach immer mal gut macht? Und unter der schillernden Oberfläche verbergen sich die schmerzhaften Themen. Ja, möglich, aber warum sieht man sie nicht, diese schmerzhaften Themen? Warum werden sie nicht thematisiert? Zarte Schale, rauer Kern? Hier wird doch arg lustig geworthülst. Und lustig vor sich hin behauptet. Aber Hauptsache auch die Oberfläche der Wörter glänzt und untendrunter kann man die ernsthaftesten Themen vermuten. Und zum letzten Absatz: geht es auch ein wenig bescheidener: Unter den Zusammenhängen zwischen Klasse, Geschlecht, Migration, politischen Machtstrukturen geht kaum noch was. Und Begierden und individuelle und kollektive Erfahrungen werden untersucht und und und und blablablupp. Hier wird nix untersucht. Und schon gar nicht systematisch und konsequent. Hier werden bunte Bilder hergestellt und das ganze ein wenig gesellschaftskritisch verbrämt. Ich gehe hier als Betrachterin nicht anders raus, als ich reingehe. Als Betrachter übrigens auch nicht.

Peter Weibel hat in einem Vortrag in Saarbrücken, 1999 war das, wenn ich mich recht erinnere, mal die steile These aufgestellt, die Malerei habe als ernstzunehmendes künstlerisches Medium so um 1930 herum aufgehört, wesentliche Dinge zum Diskurs beizutragen. Ich finde diese Ansicht sehr interessant und bedenkenswert. Und es gab in den letzten Jahren für mich fast nur das Werk von Miriam Cahn, bei dem ich noch eine gewisse Relevanz gespürt habe. Alles andere scheint mir eher Zeitvertreib.

 

eclectic field

Hach, dachte ich, was für eine Gelegenheit, das Kino 8 1/2 zeigt den Gewinnerfilm des Ophüls-Festivals aus dem letzten Jahr. „Electric fields“ von Lisa Gertsch. Es fallen einem zwei Sachen ein. Zum einen das Diktum von Billy Wilder: Du darfst alles, nur nicht langweilen. Und zum zweiten, wie Jurys so funktionieren. Menschen, die aus welchen Gründen, zusammen in einer Jury gefangen sind, um, wie hier nach einer Woche, einen Gewinnerfilm küren zu müssen. Man kennt sich nicht, ist ein Individuum, versteht sich besser oder schlechter und muss sich auf einen Film einigen. Man fand vielleicht einen anderen Film besser, hat sich mit seinen Argumenten aber nicht durchsetzen können. Und nun ist es also das, auf was man sich einigen konnte.
Und ich finde es schon schlimm, wenn sich nach einem Film erstmal solche Gedanken aufdrängen.
Lisa Gertsch traut sich was. Kleine Episoden, die immer irgendwie im Unerwarteten enden, wobei, und das ist das Problem, dieses Unerwartete oft ein wenig belanglos daherkommt, wenig existentielle Tiefe hat, und alles in allem reichlich konstruiert wirkt. Die zweite Szene, wo eine Frau in einen Elektroladen kommt mit einer Glühlampe, die scheinbar so eine Art ewiges Licht darstellt. Sie leuchtet ohne Strom, leuchtet und leuchtet und dem Elektriker ist es unerklärlich, warum er die Lösung nicht findet. Keine Spannung drauf. Ja, sagt die Kundin. Aber sie leuchtet trotzdem. Das alles wird ins Unendliche gedehnt, so dass man sich zwischendurch bei dem Gedanken ertappt: hau doch einfach mit dem Hammer drauf! Und wie endet die Szene: Der Elektriker schlägt vor, die Lampe zu zerschlagen, und tut es, in dem er sie auf den Boden fallen lässt. Die Kundin bezahlt und nimmt die Scherben mit nachhause.
Mir ging es schon mal so mit den Erzählungen von Felicitas Hoppe. (Picknick der Friseure). Die erste Erzählung in dem Bändchen hat durchaus noch einen gewissen sprachlichen und intellektuellen Pfiff. Danach läuft aber alles wieder und wieder nach demselben Schema. Auch hier, für mein Empfinden, ohne ausreichende existentielle Tiefe.
Zwischendurch denke ich – natürlich – auch an die Filme von Roy Andersson. Auch hier unerwartete Wendungen. Absurditäten. Aber auch: die Abgründe des menschlichen Daseins. Und Bilder, die dies zu greifen vermögen.
Lisa Gertschs Film vertraut zu viel auf die ein oder andere fixe Idee oder schnelle Pointe. Man wartet und wartet. Es werden Andeutungen gemacht, die nicht eingehalten werden. Und vor allem: das alles funktioniert nicht über interessante Bilder, die sich einprägen.
Mit einer einzige Ausnahme: Der Mann, der, plötzlich, um Jahre gealtert, an der Brücke in den See steigt, unter- und nicht mehr auftaucht. Ganz langsam dramatisiert sich das Bild, der Wellengang nimmt zu, der Geräuschpegel nimmt zu, die Boote im Hintergrund werden absurd hin und her bewegt und es beschleicht einen die Ahnung, dass die Wellen und alles auch über einen selbst zusammenschlagen könnten. Das war der einzig wirklich berührende Moment des ganzen Films.
Am wirklich unnötigsten die Szene des Liebespaars, das sich in einem Hotelzimmer trifft. Keine Idee, was hier gesagt werden sollte.
Und was mich hier interessieren sollte. Ich war ja selbst früher ein glühender Verfechter der Ansicht, dass, wenn es bohrende Langeweile vermitteln soll, selbst auch bohrend langweilig inszeniert sein muss. Aber dann versehe ich wenigstens, dass es hier um das Thema bohrender Langeweile geht.
Ich denke auch an unzählige Video-Arbeiten aus dem Kunst-Bereich. Die meisten banaler Zeitdiebstahl.
Und wo ist der Film entstanden: Kunsthochschule Zürich. Bitteschön. Dankeschön.
Kann ja sein, dass die Jury gelangweilt war von unendlich konventionellen Erzählfilmen, aufwändig co-produziert von arte, ZDF etc. und dann dachte: wow, hier kommt eine neue mutige Erzählform.
Nee. Leider. Kommt sie nicht.

aus gegebenem Ablass

Gestern dieses CDU-Wahlplakat gesehen: Für die Wiederherstellung von Recht und Ordnung. Und letztens das kleine mit dem Gesicht von Friedrich Merz mit dem Spruch: für ein Land, auf das wir wieder stolz sein können.
Als ob wir in einem Land lebten, in dem Recht und Ordnung schon komplett den Bach runter seien.
Habt Ihr sie noch alle? CDU = AfD light?
Aber noch schlimmer eigentlich: Spricht man damit wirklich die Menschen an? Ist es das, was insgeheim gedacht wird?
Dies, so scheint mir, steht allerdings tatsächlich zu befürchten.
Da ich mich ja nicht nur in meiner sozialen Bubbleblase bewege, sondern in meiner nebenkünstlerischen Tätigkeit auch im richtigen Leben bewegen muss, ist manches im Alltag tatsächlich nur schwer auszuhalten.
Hinter mir die unendliche Masse eines unendlich schweren Vakuums.
M’illumino d’immenso.
Vielleicht sollte man sich diese Zeilen von Guiseppe Ungaretti irgendwo ins Vorderhirn meißeln. So dass man sie im Notfall immer greifbar hat.
Robert Habeck zeigt sein Gesicht ernst neben dem Wort ZUVERSICHT.
Geht mir doch alle aus der Sonne.

landeskunstding, heute: Kulturbahnhof SB

wollte ich unbedingt noch sehen. auf den dort letzten drücker quasi. und ja: da gab es durchaus sachen, wo ich froh war, es noch geschafft zu haben. über KARIN MAGARs abstrake arbeiten aus nylonstrümfen hatte ich im vorfeld schon gelesen, war aber doch sehr überrascht und beeindruckt über die farbliche frische dieser arbeiten. und auch über die formvielfalt dieses klaren, aber trotzdem nicht langweilenden ansatzes. mit dieser farbenfreude ging es schon los. die gemälde von CORDULA SUMALVICO zeigen Figuren. „Loslassen“ wäre z.bsp. ein bildtitel. hier arbeitet sich jemand an grundsätzlichen menschlichen relationen ab, vielleicht sogar an eigenen biographischen erfahrungen. nicht uninteressant. scheint derzeit auch ein beliebter bildansatz. trotzdem lässt es einen auf eine interessante art kalt. und distanziert abseits. ich erkenne eine gewisse sambolik (ausgegossene eimer), von farbskratzern unterbrochene hand-reichungen usw. usf. es bleibt aber alles ein bisschen kopflastig. KERSTIN ARNOLD im raum daneben macht ähnliches. mit viel weniger symbolik. und vor allem: mit einer, zumindest was die figuren angeht, fotorealistischen maximalperfektion. die hintergründe (farbige punkte, rechtecke etc.) sind dagegen malerisch „durchschaubarer“, einfacher angelegt. aber diese bilder lassen einen nicht kalt. was gelingt KERSTIN ARNOLD, was CORDULA SUMALVICO nicht gelingt und warum? CORDULA SUMALVICO setzt ihre figuren erkennbar gemalt in szene. mich erinnert das ein bisschen an den mittleren und späten MAX BECKMANN, dessen bilder aus diesen jahren ich auch meist nur als eine art kasperltheater wahrnehme. ich erkenne es als malerei. ich erkenne es als inszeniert. ich sehe, da will mich jemand mit symbolik überzeugen. das ist sehr „literarisch“ im sinne der gestaltwerdung von gedanken und ideen. KERSTIN ARNOLDs Fotorealismus ist kein Selbstzweck, sondern führt dazu, dass ich die figuren als menschen wahrnehme und nicht als gemaltes personal. und da sie die gesichter und haltungen präzise beschreibt und ausarbeitet, wirkt das auch glaubwürdig und überzeugend. und wenn sie dann als mensch eine figur in ihrer hand betrachtet, dann ensteht hier auch eine symbolik, die sich aber nicht billig entschlüsseln lässt. das ist, finde ich, eine sehr coole und gekonnte malerei, die auch inhaltlich vieles von dem gewollten hinter sich lässt, was in dieser landeskunstausstellung zu sehen war und ist. hier brauche ich keine beschreibung, die etwas daherdichtet, was es nun sein soll. das sehe ich von ganz allein. anders als z.b. bei diesem bett von ELODIE GRETHEN, deren Odaliske im saarlandmuseum ich ja durchaus geschätzt habe. das bett wird wie folgt betextet: „Die blaue Bettwäsche legt die Vorstellung nahe, die Künstlerin sei zugegen gewesen und gerade eben verschwunden. Das Bild verströmt eine tief melancholische Stimmung. Keine Rede mehr von Dialog, eher von Selbstbetrachtung.“ ich möchte sagen: nö, tut es nicht. es verströmt keine tiefere melancholische stimmung als das von mir morgens verlassene und ungemachte bett, wenn ich aufstehen muss, um meinem brotberuf nachzugehen. deshalb muss das ja auch extra nochmal gesagt werden. nur wo „lustige kneipe“ draufsteht, ist auch „lustige kneipe“ drin. und irgendwie peinlich finde ich auch, dass neben der schönen blauen bettwäsche an der wand ein zettel prangt mit dem roten schriftzug von möbel martin, mit dank für die spende aus dem schauraum. datt stört rein farblich. und stört auch die zutiefst melancholische stimmung. und erzeugt eine zutiefst schleimspurerisch kaptalistische stimmung. nej tack, wie der schwede (und die schwedin) zu sprechen pflegen. das video mit den nachgestellten haltungen von frauengestalten aus der kunstgeschichte erinnert dann wieder an den geist der odaliske und ist durchaus ok. vor allem immer die stelle, wo das modell scheinbar ein vor-bild betrachtet und so peu à peu seine eigene körperhaltung danach ausrichtet. aber: KERSTIN ARNOLD. Yepp!

fortsetzung landeskunstding

jetzt schon wieder eine weile, sprich zwei wochen, her, dass wir den part stadtgalerie besucht haben. und überrascht gut unterhalten wurden. nunja, wer will schon unterhalten, bzw. unterhalten werden. aber, station nummer 1: ARTHUR DEBERT mit seinen gegenständen auf niedrigschwelligen sockeln, die man nach eigenem gutdünken umstellen, anders anordnen durfte etc. klang und sah ja auf den ersten blick ein wenig nach mitmachtheater aus, hat sich dann aber doch als gar nicht so blöd herausgestellt. da viel dieser gegenstände so überhaupt wenig anmachendes, inspirierendes hatten (mit ein oder zwei ausnahmen), erwies es sich als umso vergnüglicher, sie tatsächlich umzumodeln und dem jeweiligen plateau (plateau passt besser als sockel) etwas sinnvolles abzugewinnen. ich fand, man dürfe die sachen natürlich auch nebendran stellen. wer sich traut hat spaß und bekommt vielleicht auch eine idee von dem, was man künstlerischen prozess nennen könnte. ca m’a plu. die bilder von vera loos. eins davon hatte einen wirklich guten titel. MARGAUX MORITZ aus metz zeigte ein ästhetisch nicht viel dahermachendes talisman-häuschen auf einem sockel (und diesmal ist es wirklich einer). und dieser mangel an künstlerischem entgegenkommen ist hier genau das surplus. hier wird nix überästhetisiert wie bei PAULETTE PENJE im saarlandmuseum. aber die ideen, die sich damit verbinden, finde ich sehr sympathisch. das ist für mein gleichgewichtsgefühl ein angemessenes vehältnis einer idee und ihrer gestaltwerdung. interessanterweise kommt der text dazu auch völlig ohne die mir verhasste kunsthistoriker*innen-poesie aus. er beschreibt einfach, das was ist und das was gedacht ist. da wird nix reingeheimnist. alle beschriebenen dinge sind durchaus klar und nachvollziehbar. ganz anders als bei SUZAN NOESEN aus luxembourg. bildschirme, auf denen gesichter argumentieren. unterschiedliche typen „normal“, „euphorisch“ etc. ich hab vergessen, was jetzt die genauen temperamente waren. leider alles auf englisch. pourqoui ca? sind wir auf der bienale in venedig?? wenn es auf das gesagte ankommt, und wenn die arbeit in saarbrücken gezeigt wird, warum nicht auf deutsch? oder wenigstens französisch mit deutschen untertiteln? man soll und darf sich dann in die runde der bildschirmgesichter einfügen und teil des gesprächs werden. vielleicht wäre es interessanter, wenn man es dann wenigstens unvermittelt wahrnehmen könnte? untertitel kann auch JULIAN ROSEFELDT. Ok, ich bin grad ein wenig verdorben durch seine Arbeiten, ich erwähnte das schon. schade, eigentlich. FRANCOIS SCHWAMBORN zeigtn videoprojektionen. leider verdirbt es einem hier der text ein wenig, weil er nicht verschweigen kann, dass es sich um verlangsamte bilder und töne von wasser handelt. vorher waren das zum teil durchaus faszinierende bilder und töne. nachher hat man dann das wasser gesehen. „Entschleunigung wird hier als Werkzeug benutzt, um der Bewegung des Wassers eine größere Bedeutung zu verleihen, es wirkt erhaben und zugleich bedrohlich.“ nö, irgendwie nicht. eher entzaubert. nungut.  ich dachte zuerst, ich hätte so etwas ähnliches damals in dieser „tod“-ausstellung in der stadtgalerie von ihm gesehen, was mich damals sehr beeindruckt hatte (war auch derselbe raum), in seiner vita erwähnt er das allerdings nicht. muss also jemand anderes gewesen sein.  CHRISTIANE WIEN zeigt gebogene betonplatten, in denen sich rauschen spiegelt und bricht. der ausstellungs-aufseher kommtiert das bei unserem besuch etwas lapidar mit: „physik halt“. wir fanden es aber doch ein wenig interessanter als nur physik.

alle während der aufführung gezeigten zeichnungen

Die Aufführung fand statt im Rahmen der Saarbrücker Sommermusik. Ralf Peter, Tenor und Inszenierung. Nadja Steinhardt, Alt. Thomas Layes, Flügel. Die Bilder wurden auf die komplette Wand an der hinteren Stirnseite des evangelischen Gemeindesaals projiziert. Die Wände in diesem Gebäude sind für Projektionen schwierig, weil wenige, aber doch recht breite, zart-orange angemalte Balken die Wände „zieren“. Im letzten Jahr bei Schönbergs Gurreliedern haben wir dann nur eines der dadurch entstehenden Rechtecke als Projektionsfläche genutzt: Über der Bühne war also immer ein Bild zu einem Lied zu sehen. Das sollte diesmal anders werden: größer, raumgreifender. Doch sah die Projektion auf den Balken einfach nur scheiße aus. Ralf sah das vor mir, als er die Projektion eingerichtet hat. Und hatte die Idee, die Projektion vermittels schwarzer Streifen, die er in Powerpoint eingefügt hat, genau über den Balken zu unterbrechen. Ein gewagtes Spiel und er wollte es mir irgendwie schonend beibringen. Brauchte er aber gar nicht. Das Ergebnis hat mich vom ersten Moment an nicht nur überzeugt, sondern regelrecht umgehauen: So etwas kann man sich im Vorfeld nicht ausdenken: Die orange-Balken erschienen wie schwarze Leisten eines Fensters oder eines Paravents (wozu das milchig und warm wirkende Weiß der Projektion noch beigetragen hat). Genial. So etwas bekommt man im Leben dann manchmal einfach so geschenkt. Von der Darbietung der Musik ganz zu schweigen. Nadja Steinhardt war letztes Jahr beim Gurre schon ein Gänsehaut-Moment und Thomas Layes am Flügel ist einfach nur Kunst pur. Ein Künstler durch und durch. Voller Empfindung und Verstand und in der Lage, das auch in seinem Klavierspiel auszudrücken.

landeskunstding

Nächste Station: Saarbrücken, Saarlandmuseum, Moderne Galerie. Großer Seufzer. Muss heute Abend beim Schreiben sagen, dass ich jetzt auch noch das Interview Andrea Jahn – Cathrin Elss-Seringhaus als Ballast mit mir herumtrage. Andrea Jahn nennt am Schluss 3 Positionen, die sie als besonders empfindet. Das sind exakt 2 1/2 Positionen, die ich ganz und gar nicht als besonders empfunden habe. Über KRYSTYNA DUL hab ich mich ja schon geäußert. KLAUDIA STOLLs Zeichnungen finde ich wirklich genial und so eigen und berührend. Andrea Jahn findet aber vor allem das, was sie dann davon in ihre Videosequenzen gepackt hat, als die besondere Leistung. Gerade diese fand ich nun wieder nicht so furchtbar interessant und berührend, als nicht wirklich wichtig, um das auszudrücken, was es hier auszudrücken zu geben scheint. Und dann noch als dritte CLAIRE HANNICQ. Mais, c’est quoi ça? Ich bin dankbar für den- oder diejenige, die es mir erklärt. Ich seh da nix und spür da nix. Genauso wenig wie bei dieser merkwürdige Fukujima-Kiste von SERGE ECKER. Hier braucht es wieder Unmengen an Kunsthistoriker*innen-Poesie (-> Die Skulptur Fukuyu_2 greift Form und Gestaltung des Reaktorblocks Fukushima 2 auf. Auch hier verleiht die Vergoldung dem Objekt eine attraktive, ikonische Ausstrahlung. Die Katastrophe von 2011 mag unser Bewusstsein verändert haben, jedenfalls aber hat sie unseren Lebensumständen ihren Stempel aufgedrückt. So strahlt Fukuyu_2 buchstäblich weiter, in den Ausstellungsraum hinein verstrahlt es die Wärme seines Kerns. -> warum sieht man das nicht einfach??? Wenn ich das nicht zu lesen bekäme, sähe ich dort eine relativ nichtssagende Kiste…  hmm ). Nicht schlecht fand ich schon den digital verzerrten Akt auf der Einladungskarte. Vor Ort wird dieses Bild dann auf eine Stoffbahn mit regelmäßigem Faltenwurf projiziert, was das nochmal ein wenig steigert. Odalisque von ELODIE GRETHEN. Das ist einfach, spricht tatsächlich Themen an, wenn man denn will, und ist visuell nicht doof. Wirklich in Bann ziehen kann mich dann aber die Wandzeichnung von Bettina van Haaren und Wolfgang Folmer.  Das ist – für mich – tatsächlich eine Arbeit, von der Bilder und Eindrücke bleiben. Die über das, was normales Kunstgewerbe ist, hinauszugehen vermag. Und sich etwas traut. Ich muss gestehen, dass mich auch die „Zuschauer“ von NAZANIN HAFEZ angezogen haben. Gesichter sind halt etwas, was mich anzieht. Durch das Collagieren wird das natürlich gesteigert. Dazu muss man dann noch nicht mal wissen, dass es sich um Zuschauer öffentlicher Hinrichtungen im Iran handelt. Was natürlich eine andere Dimension in die Sache bringt. SHAKTI PAQUÉ: upps. Like ich nicht. So viel Aufwand für so wenig, was gesagt wird. Irre erstaunlich. CHRISTIANE DESSECKERs Wandzeichnung auf, wenn ich richtig gezählt habe: 105 Täfelchen. Die Menschen freuen sich immer, wenn sie jemand an Platons Höhlengleichnis erinnert. Natürlich funktioniert das. Man freut sich auch, dass hier mal etwas klar gestaltet ist, ohne dass es mit allzuviel Hirngeschwurbst belastet ist. Und das ist ja auch schon mal was. Da setzt man sich dann hin (Danke für die Bänke) und freut sich. Mir drängte sich der Vergleich nicht auf, wohl aber meiner Begleiterin: Ist aber JULIA BAURs Arbeit in Merzig nicht mutiger? Interessanter Gedanke, fand ich. Und „mutiger“ ist ein interessanter Aspekt: Mit diesen nur angedeuteten Szenerien ist CHRISTIANE DESSECKER natürlich weniger angreifbar als JULIA mit ihren klaren Pflanzenformen. Wer hat schon was gegen Andeutungen, die nicht weh tun? Aber wieso zeichnet die Pflanzen? Der von CATHRIN ELSS-SERINGHAUS so hochgeschätzte GREGOR HILDEBRANDT zeigt drei hochuninteressante Bilder. Yepp: geguckt und weg. Und auch sonst. Ach nee: PAULETTE PENJE fand ich ja im Vorfeld ganz spannend. Da erschien es so, dass hier jemand ganz radikal und sehr mutig an die Grenzen dessen geht, was dann schon eine Art Bild wird oder nicht. Schmeißt sich auf’s Dach und sprüht mit Farbe um sich. Komme was da wolle. War das nicht auch die, die in der Stadtgalerie mit an die Wand gespucktem Rote-Beete-Saft gearbeitet hat? Bilder erspucken und erlecken. Nicht sauber sein? Weg vom Hochgeleckten? Und das war dann doch etwas schade: die Fotos von der Aktion auf dem Dach fand ich gut. Radikal. Ohne Rücksicht auf Verluste. Und dann? Kommt man in die Ausstellung und sieht 3 große Bildschirme, wo sie sich langsam über die Kiesel auf dem Dach wälzt und Farbe sprüht. Ein Blick in den blauen Himmel mit Kondensstreifen. Bunte Steine. Räkeln und Sprühen. Aus dem radikalen Ansatz wird dann eigentlich schon wieder Kitsch. Dreckige Aktion hochglänzend aufgepimpt. Sehr sehr schade! Es stellt die Kunst in Frage, soll dann aber wieder auch den Anspruch an Hochglanzkunst erfüllen. Warum hätten es nicht auch ein oder zwei Fotos getan? Und den Rest mach die Fantasie der Betrachterin?? Das wäre mutig gewesen. „Sie stellt die Frage nach Kunst und deren Regeln, hinterfragt Entstehungsprozesse und ihre Rolle als Künstlerin.“ So die Kunsthistoriker*innen-Poesie. Vielleicht ein bisschen. Aber sie zieht nicht die formalen Konsequenzen. Das war für mich vielleicht die größte Enttäuschung. Aber ist wahrscheinlich symptomatisch für das ganze Projekt. Also Gesamtschau finde ich Neunkirchen bisher tatsächlich am überzeugendsten.

Kunst kann man auch denken als das Individuelle und Nichtangepasste. Man kann es aber auch denken als das Individuelle und Angepasste.

„Wir sind doch alle Individuen!“ – „Ich nicht!“, um den Witz des Jahrhunderts von Monty Python nochmal zu viralisieren. (Warum hat denn dieses Verb noch keiner entdeckt? „verstetigen“ gibt’s doch auch schon …)

Und über allem schweben die Besucherzahlen! (siehe auch nochmal den SZ-Artikel von heute).

 

gesterday auf reisen

i like deutschlandticket and deutschlandticket likes me. gestern nach völklingen. und mehr als deutschlandticket liebe ich jetzt: jahreskarte! es war überfällig. endlich reinspazieren und rausspazieren, wann und wenn man will! yes! völklingen ist der für mich derzeit spennendste kunstort im saarland. endlich. wir können hier nur lobpreisen, was man uns vor die nase legt! julian rosefeldt ist weltniveau. und „world of music-video“ war auch schon ein meilenstein – ansatz! populär und (trotzdem) mit tiefgang. dinge, die gesellschaftliche relevanz haben. bilder, die hängenbleiben. gedanken, die in dir arbeiten. das, was kunst sein kann.
nachdem ich dann endlich auch die jens harder-ausstellung nachgeholt habe (für die letztens einfach keine zeit und konzentrationsfähigkeit mehr war), konnte ich mir die muße gönnen, in voller konzentration und ganzer länger, den film (ich will gar nicht sagen: das video) PENUMBRA anzuschauen. Die verlangsamten Bilder tanzender Raver zur musik von robert schumann: szenen aus goethes faust am schluss setzen bilder, deren fasziantion sich mir noch nicht ganz erschließen. eigentlich sollte man sich da mit dem skizzenblock nochmal reinsetzen, um der sache auf die spur zu kommen. (kann ich mit meiner jahreskarte jetzt ja auch einfach mal machen 😉 ). was macht diese bildsprache aus? warum und auf welche weise benutzt rosefeldt hier film/video/geräusch/musik? wir sind voll von filmen und musik, die uns kulturell geprägt haben. es gelingt ihm, diese dinge zu benutzen, aber so zu benutzen, dass neues in unseren köpfen entsteht. und das ist interessant. bei manchen dieser bilder habe ich mich gefragt, was wäre, wenn das jetzt ein großes stück malerei wäre. unbewegt und auf großer leinwand im museum hängend? es gäbe genug interessanter bilder, die eine malerische umsetzung lohnten und auch zu guten bildern führten. nur: besser scheint es doch, wenn es sich weiterbewegt. warum? warum gucke ich mir das mehr als eine stunde lang an? obwohl es manchmal auch wirklich gnadenlos bei seiner langsamkeit bleibt?

Landeskunstding

Bisher habe ich gesehen: Neunkirchen, Merzig, Saarlouis, Saarbrücken Künstlerhaus und St. Wendel. Neunkirchen fand ich als Gesamtschau bisher am interessantesten. Die Videos muss ich mir die Tage noch in Ruhe angucken. Am meisten wirken in mir die Zeichnungen von Klaudia Stoll. Yepp. Eine eigene, lapidare und zugreifende Sprache, die sie sich da entwickelt hat. Ob es jetzt das Video dazu noch braucht? Don’t know. Ich bräuchte es nicht, es erzählt in seiner Bildkombi für mich nix wesentlich Neues und findet auch keine wirklich zupackenden Bilder. Leslie Huppert: yes. Das funktioniert. Małgorzata Sztremer zeigt eine interessant versponnene Malerei, die einen nicht langweilt und nicht kalt lässt. Jutta Schmidt hatte ich schon wieder vergessen, was kann man Schlimmeres über eine Arbeit sagen. Solche Zeitdokumentationen gab’s durchaus auch schonmal in spannend und erhellend. Darja Linder. Keine Ahnung. Muss man das gesehen haben, um weiterleben zu können? Auch nicht wirklich etwas, von dem man denkt, dass das bleibt, will heißen, bildnerisch stark genug ist, um sich in die Köpfe und Gedanken zu fressen. Vielleicht weniger bunt? Weniger durchschaubare Symbolik? Lydia Kaminskis Selbstportrait fand ich nicht schlecht. Klarer einfacher Blick. Klares einfaches Bild. Fertig. Mehr braucht es nicht. Von Katharina Krenkel Mein Highlight: Die „Pilze“. Stilisierte Zeichnungen unserer kleinen eß- und nichteßbaren Freunde. Mit Kupferdraht in kleine Skizzenblätter gearbeitet. „Sinninseln“. Ihr Gefühl für und ihr Spiel mit Sprache war mir eh immer schon très sympa. Wie gesagt: die Videos hab ich aus Zeitmangel noch nicht gesehen.

Merzig: Julia Baur. Was wäre diese Ausstellung im Museum Schloss Fellenberg ohne die Arbeiten von Julia? Nix. Es blieben die immerhin interessanten Plattenspieler von Markus Himmel. Und vielleicht die ein wenig kunstgewerblich daherkommende Klanginstallation von Peter Strickmann (das macht man halt so). (Ich bin auch nicht immer ganz frei vom Kunstgewerbe, Glashaus, Steine etc.). Aber ganz uninteressant ist es dann doch nicht. Spannender sind allerdings Strickmanns Publikationen, die im Vorraum zum Erwerb ausliegen. Das sieht irgendwie spannend aus. Völlig nichts sagen mir Stefan Zöllners manipulierte Fundstücke. Jaja, ich weiß. (was weiß ich?): Mich langweilen in der aber Regel auch Flohmärkte. Aber jetzt denkt Euch nochmal Julia weg! Man würde sich ärgern über die Anfahrt.

Saarlouis: Institut für aktuelle Kunst. Dort findet sich eine wirklich genial einfache und beeidruckende Arbeit! JOÃO FREITAS Triptychon. Taschentücher werden auf drei nebeneinander montierten Bildschirmen aus ihrer Verpackung gezogen. Nicht mehr. Und nicht weniger. Es entstehen immer wieder neue, sich veränderte Papierskulpturen. Es entsteht Musik durch das dabei erzeugte Geräusch. Und auch die Wahl von drei Bildschirmen ist auf dem Punkt, nicht nur, weil es an ein Trptychon gemahnt, sondern auch, weil es diesn Rhythmus braucht, der erst durch drei entsteht. Ein Bildschirm: keine interessanten Abwechslung. Zwei Bildschirme: der Rhythmus wahrscheinlich zu vorhersehbar.
Genial.
Die Zeichnungen von Susanne Kocks: Hhmm, knapp vorbei irgendwie. Schöne Idee mit den Schlafenden. Man klappt die Zeichnung auf und dann sieht man eine schlafende gezeichnete Person. Im Beitext wird darauf hingewiesen, dass Susannes zeichnerischer Impetus stark vom Weglassen geprägt ist. Manchmal ist weniger aber auch leer und nicht mehr. Ich versteh‘, glaube ich, die Absicht, aber mir werden z.B. die gezeichneten Personen als Personen zu wenig greifbar. Meine Begleiterin war da weniger vorsichtig: für sie waren das Oberstufen-Zeichnungen. So weit wollte ich nicht gehen.
Der Rest ist Schweigen: Bei Tobias Beckers Installation denke ich im Nachhinein an eine Kritik eines Mainzer Professors, die ich immer wieder gern zitiere: Es ist schon erstaunlich, mit wie viel Aufwand Sie wie wenig erreichen. Das ist schon ein bisschen Kunstgewixe mit gewollt tieferer Bedeutung. Viel viel Aufwand.
Barbara Herolds Videospiel. Ich hab mich echt an den Computer gehockt und den Kopfhörer aufgesetzt. Geklickt. Nothing happend. Dann hab ich auch keine Lust mehr.

Saarlouis. Museum Haus Ludwig. Außer Sigrun Olafsdottir und der Familie Ickrath bleibt nicht viel. Bei der Gelegenheit gilt es zu erwähnen (weil es hier in Saarlouis am meisten auffällt): ganz große Kunsthistoriker*innen-Poesie an allen Orten: ganz großes Blablablupp. Immer wieder schwierig, wenn da mehr intellektuell geschwurbelt wird, als die Arbeiten eigentlich halten. Wenn man, wie wir, Tage vorher in Völklingen bei Julian Rosefeldt war, dann findet man das Video mit den zertrümmerten Michael Jackson Figürchen eigentlich nur noch sterbensunsinspiriert.  “ … ein Kooperationsprojekt zwischen dem rumänischen Künstler Alexandru Mihai Budeș und der deutschen Künstlerin LISA MARIE SCHMITT (D).“  So what. Ok, ok, man geht mit dem Wissen nachhause, dass in Rümänien anlässlich eine Michael Jackson Konzertes entsprechend Devotionalfiguren hergestellt wurden, in der geplanten Menge keine Abnehmer*innen fanden und die Firma folglich verendete. Sowas kann einem in dem ein oder anderen Partygespräch durchaus mal über eine bedrückende Gesprächsstille hinweghelfen. Neenee, irgendwie sagt das auch was. Ich will da nicht so gemein sein.

Saarbrücken, Künstlerhaus. Die für mich einzig überzeugende Arbeit: Johanna Schlegel „morgen kommen wir nicht wieder“.  „Johanna Schlegel ist Absolventin der HBKsaar in Freier Kunst und studiert derzeit Kunst an der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main. Im Rahmen des Saarart wird sie eine Serie von Kunstwerken namens „morgen kommen wir nicht wieder“ vorstellen, in denen die Künstlerin die Geschichte und das Schicksal eines aus Schlesien vertriebenen Malers, Friedrich Karopka-Branntler, nachzeichnet.
,Ausgehend von einem Landschaftsgemälde, auf das die Künstlerin wiederholt in einem Familien-Foto-Archiv stößt, begibt sie sich auf die Suche nach dem Maler. Für die Ausstellung schuf Johanna Schlegel Collagen, die sie mit Fundstücken aus Karopkas Vergangenheit und Texten zum Thema der deutschen Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg vereint.‘ “ Yepp. Dazu gibt es auch ein Buch. Das werde ich mir kaufen. 

Von Birgit Thalau im Galerieraum 2 bleibt vielleicht der Kleiderbügel im Gedächtnis. Wer weiß. Ansonsten: auch irgendwie auf irgendeine Art schonmal dagewesen.

Claudia Brieskes Installation im Keller: Interessante alte Plattenspieler. Aber nachdem ich vor einigen Jahren mal eine der uninteressantesten Ausstellungen, die ich je gesehen habe, von ihr in St. Wendel erleben durfte, warte ich auf etwas, was mich emotional, menschlich, essentiell irgendwie berührt und mitreißt. Bisher Fehlanzeige.

Gestern jetzt noch in St. Wendel. Anne Haring! Ich war gespannt auf Anne Haring. Das ist cool und uncool zugleich und hat mich dann sehr überrascht, da ich bisher nur andere Arbeiten von ihr kannte. Das gehört für mich in die Kategorie: Vermisstmeinnicht.

Die Malereien von Gisela Zimmermann. Malerei halt. Farbverteilungsproblematiken. Nee, das wäre ungerecht: Farbproblematiken. Sie arbeiten mit bestimmten Pigmenten, die sich unter Lichteinwirkung im Eindruck verändern. Ich fands ganz ok, ist aber auch nicht kriegsentscheidend.

Kathrin Haaser zeigt eine Balletschuh-Installation, die ich recht beliebig fand, warum z.B. diese Form und keine andere?? Das erschließt sich mir nicht. Die Blablablupp-Poesie dazu: „… Sie dreht sich darum, die Vergänglichkeit zu bannen, die jeder künstlerischen Produktion, jedem ästhetischen Augenblick innewohnt.“ Ich finde, das ist wirkliches Blablablupp. Ich banne keine Vergänglichkeit, indem ich ein paar alte Dinge zusammenschraube. Christian Boltanski konnte das besser, aber auch ihm ist es nicht immer so ganz gelungen. Er hat die Dinge dann aber auch eher einfach geschichtet und nicht noch zu einer aufgesetzten Form verschraubt, verklebt, verzwungen.

Krystyna Dul  führt angeblich mit viel Humor die Absurdität der Konstruktion von Modell-Identitäten vor. Ok, ich gebe zu, das ist nicht mein Humor.  Die Fotos des jungen Mannes mit merkwürdigen Dingen im Gesicht bleiben in meinen Augen Fotos eines jungen Mannes mit merkwürdigen Dingen im Gesicht. Kann aber auch an mir liegen.

Bei all dem vielen Für- und Wider dieses Ausstellungskonzepts mit vorgegebenen Themen und der Möglichkeit, sich zu bewerben (was ich übrigens gut fand, zumindest Letzteres), bekomme ich irgendwie keine Diskussion mit. Was will diese Ausstellung mehr, als einfach nur da zu sein?

Wo sind die gesellschaftlichen Diskurse, ästhetischen Provokationen, neuen Blicken auf die Dinge? Bisher bleibt erschrecken wenig hängen.

Ok, mein alter Anspruch: Ich will anders aus ’ner Ausstellung rausgehen, als ich reingegangen bin. Ich will. dass mich die Werke bewegen, berühren, beschäftigen. Meine Sinne schärfen und Gehwege ändern. Wenn wir einen Film gesehen haben, dann ist auch die große Frage: An welche Bilder wird man sich erinnern. Ich bin auch hier gespannt.

Demnächst sind noch die Moderne Galerie fällig und die Stadtgalerie. Nach Berlin werde ich wohl kaum fahren. Auch so ein Käse. Wieso diesen Ort mit einbeziehen, der in Berlin sowieso keinem Menschen auffällt? Eh egal. Hauptsache something happens. Egal what.

Ach, bevor ich es vergesse: Da ich den Namen saar-art so bescheuert finde: heute abend auf dem Spaziergang der tröstliche Gedanke: es ginge noch bescheuerter, wenn man es beispielsweise documentsaar nennen würde. Ich verkauf die Idee gerne meistbietend ans Ministerium.

 

Blödes Plakat

Es liegt am Plakat. Und am Titel der Ausstellung. Die städtische Galerie Neunkirchen, die mich ja nur selten mit Ausstellungen zu beglücken vermag, hat derzeit eine Sonderschau von Fritz Arnold. Einem Autodidakten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Und aus Neunkirchen! Das ist absolut sehenswert und war der eigentliche Grund, warum ich letztens den Schlenker zur Oberstadt hin machte. („…geh doch in die Oberstadt…“, aber in Neunkirchen nennen die das wirklich so). Parallel dazu läuft eine Ausstellung von Stefanie Gerhardt. Und tatsächlich findet sich dort das ein oder andere Stück spannender Malerei. Z.B. ein sehr kleines längliches Querformat. Präzise gemalt und doch unscharf. Nächtliche Szene, Wald, ein Baum im Vordergrund. Dahinter kauern, sehr klein, einige Menschen hinter einer kleinen Erhebung. Sofort schaltet mein Betrachterhirn auf Gethsemane. Aber das isses natürlich nicht. Das schwingt nur mit und das braucht es auch nicht. Ein sehr faszinierendes kleines Werk. Auch festgekrallt in meinem Hirn: der schlafende Schwan: Ein großes Bild, schwarzer Grund, darauf in weiß eine irgendwie ovale Form in Weiß. Diese wird strukturiert und als Schwan kenntlich gemacht nur durch die Struktur der in Ölfarbe gesetzten Pinselstriche. Sowas habe ich vor vielen Jahren auch mal probiert, Selbstbild auf weißem Grund. Aber bei Weitem nicht so überzeugend wie dieser schlafende Schwan, der seinen Hals an den Körper schmiegt. Sehr schön vor allem die oft auch sehr kleinen Bilder. „Mein erstes Kieselbild“ und „Mein zweites Kieselbild“. Hab ich die Titel richtig im Kopf? Das ist sehr fein beobachtet und auch gemacht. Dankenswerterweise wird diesen sehr kleinen Bildern (15×15, vielleicht 20×20 ?) an der Wand auch sehr viel Raum gelassen. Sie sind so präsent, dass sie auch eine große Fläche dominieren können. Gemalt ist das überwiegend Öl auf Alu. Manchmal sind die Titel gut (Kieselbilder, lapidarer Titel und eine unglaublich unlapidare Malerei, die sich daraus entfaltet), einmal allerdings hätte man sich gewünscht, man könne den Titel sofort wieder vergessen, weil er das Bild in seiner Aussage schmälert: Ein etwas farblich soft gehaltener Hase, der einen frontal anblickt, muss man nicht „mystical rabbit“ nennen. „Mystischer Hase“ klänge im Deutschen schon autsch. Wenn man es ins Englische überträgt, wird es dadurch not really besser. Warum die Schaukel (auch auf Englisch) „Swing“ heißen muss? Ein Titel voll von Überfluss. Ohne einen Titel, noch nicht mal „ohne Titel“, einfach nur das schaukelnde Kind in der Ausstellung: das wäre wirklich cool gewesen.  Ein Bild mit Nachtschwärmern (Motten um ein Licht, bzw. kleine sensible Pinselhiebe um einen hellen Kreis) ist auch ein sehr augenfangender Hingucker. Manches andere etwas spekulativ oder durchaus schonmal so oder ähnlich an anderer Stelle gesehen. Bei der ersten kleinen Landschaft musste ich z.B. an Susann Gassen aus Mainz denken. Ach doch: der Kalligraph. Sehr realitsisch auf sehr viel weißen Untergrund gesetzt: ein asiatischer Maler, der am Boden hockend eine Kalligraphie pinselt. Das überzeugt dann doch durch seine Klar- und verdichtete Einfachheit. Und kommt dadurch an asiatische Bildideen mit europäischen Mitteln doch sehr gut heran. Warum hatte ich aber keine Lust, mir diese Ausstellung überhaupt anzuschauen?? Nicht nur wegen der ein oder anderen Enttäuschung in letzter Zeit, wo für mein Empfinden zu oft zu sehr auf das schnelle Weggucken geschielt war: Wer allzusehr auf das Publikum schielt, kann natürlich nicht mehr ganz so klar hinsehen. Nunja. Wie kann ich eine Ausstellung nur: „kopfüber himmelwärts“ nennen und auch noch mit dem Bild eines vor einem Sternenhimmel schaukelnden Kindes illustrieren? Das Bild entstammt natürlich wirklich der Ausstellung. Ist aber im Original sehr klein (20×20?) und in dieser Größe sehr intensiv, fein gearbeitet und von daher weit weg von irgendwelchem Seelenkitsch. Auf Plakatgröße hochgepimpt und zusammen mit diesem Titel kringeln sich einem ja eigentlich eher die Zehennägel. Man sieht nur mit den Zehen gut. Solche Titel kann nur Wim Wenders! Das hinter die Ohren schreiben. Bitte! Ich hätte da ja tatsächlich was verpasst, wenn ich mich an Presse, Plakat und Website orientiert hätte.

fuchs ohne bau

Ich hab ja so ne Theorie: Schlussendlich kann ich heute problemlos das Gegenteil von gestern behaupten mit fast denselben Argumenten. Ich denke, dass hier viele innerlich sofort widersprechen möchten. Aber je länger ich dieses Erdenrund beschreite, desto öfter komme ich immer wieder auf diesen Trichter.

Wie auch immer. Jetzt hat ein Film im Max Ophüls Preis einen, bzw. drei Preise bekommen: Jugendjury, beste Regie und den Drehbuchpreis. Puh.

Ich hatte den Film nicht auf dem Schirm. Klang mir im Programmheft ein wenig zu simpel, zu klassischer Konflikt, wenig interessant. Bei der Preisverleihung dann ein Lob über das andere: zeigt uns eine Welt, die wir sonst nicht sehen, schafft uns Räume, dort wo die Räume eng sind, vielschichtige Charaktere und und und. Da dachte ich: guck mal, ob man den noch gucken kann. Klingt ja spannend. Vielleicht hab ich da ja echt ne Perle übersehen. Ging noch.

Ich weiß nicht, welchen Film die da gelobt haben.

Ich habe einen Film gesehen, dem ich kaum etwas abnehme. Dessen Problem mir zu sein scheint, dass er sich selbst und seine Charaktere nicht wirklich ernst nehmen mag. Keiner der – eigentlich mehr oder minder nur angedeuteten – Konflikte wird wirklich thematisiert und ausgetragen. Das einzige, was ich diesem Film abnehme sind die Gefängnisgebäude im Wiener Jugenstrafvollzug. Wenn das dort so aussehen mag, dann mag das dort so aussehen. Wenn es aber auch wirklich eher nach Erwachsenenvollzug aussieht.

Aber dass da ein, wie sagt man da?, vorgesetzter Gefängiswärter-Abteilungsleiter-Hansel relativ willkürlich über Einzelhaft, Einweisung in die psychologische Abteilung oder nicht entscheiden darf, grad wie es ihm gefällt, ohne irgendjemanden fragen zu müssen, dass der Neulehrer die in Flammen stehende Einzelzelle des sichtbar psychisch angeknacksten Mädchens, das offensichtlich nicht in den Strafvollzug, sondern in psychiatrische Betreuung gehört, was aber niemanden zu interessieren scheint (den Neulehrer übrigens auch nicht), selbst aufschließt, während der Aufseher versucht, das zu verhindern (häh? es brennt! da ist ein Mensch drinnen. Wieso laufen da nicht die normalen Notfallmaßnahmen?). Und noch viel mehr.

Ich sehe hier keine vielschichtigen Charaktere, sondern eigentlich recht lieblos und einfach gezeichnete Gestalten. Die bisherige Lehrerin, Modell: die Unkonventionelle, die abseits von Lehrplänen „ihr Ding“ macht, Maltherapien, die im Film darin bestehen, dass alle etwas malen oder basteln, ist ja ok, nennen wir es aber mal nicht Maltherapie bitte. Warum sie das macht? Ihre Ideen und Hintergründe? Bitteschön: Denk dir doch selber was aus. Der Neulehrer, der sich auf diese Stelle beworben hat, weil er eigentlich Musiker ist, aber über den Tod seines kleinen Sohnes nicht hinwegkommt, den er abends auf dem Weg zu einem Auftritt mit seiner Band alleine gelassen hat. Wie der Sohn stirbt, warum, wo der Fehler des Vaters lag, wieso so ein dahergelaufener Musiker eigentlich dafür geeignet ist, diese Stelle überhaupt annehmen zu dürfen: für den Film völlig uninteressant.

Es fällt ein Satz, der mir für den Film typisch scheint: Der Neulehrer sitzt zum erstenmal alleine vor der Klasse (weil die Altlehrerin zusammengebrochen ist) und sagt zu der Klasse: „Ihr dürft mich alles fragen!“ Einer der Schüler fragt ihn, weswegen er sich gerade auf diese Stelle beworben habe, wieso er gerade hier im Jungendstrafvollzug arbeiten wolle. Die Antwort, nach einem kurzen nachdenklichen Moment: „Das geht Euch nichts an.“ Fertig.

Und so tickt der ganze Film. Wir setzten mal ein paar angedeutete Konflikte in die Welt und das reicht dann schon. Braucht nicht weiter ausgearbeitet zu werden. Andeutung reicht. Pittoreske Momente, wenn die Altlehrerin zusammen mit dem Junglehrer in ihrer Wohnung eine komplette Tür mit Zarge und Mauerwerk rausklopft, auf dem Dach des Autos zur Gefängnisschule bringt und die Schüler durchschreiten lässt, als könne sie dies die Idee von einem Schritt in die Freiheit spüren lassen – nungut: Für die Altlehrerin gibt es ein wirkliches Vorbild. Einen Lehrer, den es gab und der tatsächlich die Schüler unkonventionell zu sich selbst geführt hat. Oder haben mag. Wissen wir ja nicht. Und der das mit der Tür tatsächlich so gemacht hat. Der Filmemacher wollte erklärterweise diesem Lehrer ein filmisches Denkmal setzen.

Der Film nimmt sich selbst nicht ernst. Und noch schlimmer: Er nimmt den Zuschauer nicht ernst.

Ich spüre nix von der Beklemmung hinter Gittern. Ich sehe Klischees von Gefängnis. Ich sehe Klischees von Unkonventionalität. Und ich sehe Hanseln von Gefängniswärtern.

Halt. Eine glaubwürdige Szene gab es dann doch noch. Die Mutter des Mädchens, das seinen Vater ins Koma geschlagen hat und die ganze Zeit über nur schweigt und unzugänglich ist, kommt – wie es scheint – zum erstenmal auf Besuch, um mitzuteilen, dass der Vater an seinen Verletzungen gestorben ist. Zum erstenmal sieht man Trauer im Gesicht des Mädchens, einen zaghaften, zarten und ernsten Entschuldigungs- und Sprechversuch. Die Mutter sagt: Du kannst ja nichts dafür, das sind die Teufel in Dir. Was das Mädchen zum kompletten psychischen Zusammenbruch bringt. Dieser Ausbruch war das einzig Berührende im ganzen Film.

Worauf aber wiederum niemand der Gefängnisleitung adäquat reagiert.

Zu viele Ungereimtheiten. Zu viele Unwahrscheinlichkeiten.

Und einen klischeevollen Schluss: Der Neulehrer findet endlich „zu seinem Stil“, wie man so schön sagt, indem er des nachts am Schlagzeug zuhause die Trauer über den Tod seines Sohns wegtrommelt (und man könnte jetzt zynisch einwerfen: warum hat er das nicht einfach schon früher mal gemacht? Der Film setzt keinen Grund, warum das gerade jetzt passieren soll. Und dass es nachts passiert und alle Nachbarn das Licht anknipsen, gehört nun wirklich zu den ganz alten Tricks aus der filmischen Klammottenkiste), um dann am nächsten Tag mit der Klasse ein gemeinsames Trommeln abzuhalten, was natürlich alle ganz geil finden, geiler als Malen vielleicht sogar. (geht ja auch eh nicht mehr, weil der Aufseherhansel nach dem Selbstmordversuch des Mädchens zur Bestrafung der Lehrer die Farben weggesperrt hat). Die Altlehrerin fährt derweil mit ihrem Motorrad (sic) (bisher ist sie immer schön brav Lehrerinnenvolvo gefahren) ans Meer und guckt in die Freiheit. Aua. Filmklammottenkiste mindestens Nummer zwei.

Bei der Preisverleihung sah man diesen wirklichen Lehrer im Hintergrund sitzen. Er saß immer nur im Hintergrund mit seinen langen weißen Haaren und hat eine Zigarette nach der anderen gequalmt. Er sah wirklich so aus, als hätte er was zu sagen. Zumindest gehabt. Der Film hatte dies nicht.

Ist natürlich auch blöd, dass ich zuhause grade einen Film gesehen hatte, der sich, seine Protagonisten und auch den Zuschauer ernst nimmt. Der wirklich in präzisen Bildern ein Drama erzählt, das sich nicht löst und zuspitzt und kaum auszuhalten ist. Mit präzisen Bildern und Details arbeitet. Und ein wirklich einprägsames und geniales Schlussbild findet. Kein Ausweg. Nirgends. Das kann Film tatsächlich nämlich auch: LOVELESS von Andrei Swjaginzew.

Den Drehbuchpreis für FUCHS IM BAU verstehe ich dagegen null.

kritik der kritik (wovon man nicht schweigen kann, darüber muss man sprechen)

Es schreibt Eva-Maria Reuther im Trierischen Volksfreund:

„Transposition 2“ (Verschlüsselung) heißt die Schau, die bis zum 27. April zu sehen ist. Verschlüsselt ist Kunst grundsätzlich. Wie hier freilich verschlüsselt wird, ist weitgehend vordergründig und schlicht in der Bildsprache. Im ein oder anderen Fall bleibt es bei Fleißarbeit, so wie bei Vera Kattlers nach dem Motto „Was fliegt denn da?“ zum vielteiligen Wandbild arrangierten Papierarbeiten „Vom Sammeln des Flügelschlags“. Ein ausgesprochener Pessimist scheint Ulrich Behr zu sein, der 53 niedliche hölzerne „Pistoletten“ nach Mobile Art im Raum baumeln lässt. „Pistoletten für das Selbst“ heißt die Arbeit. Das reicht weder für Zeitkritik noch als ironische Brechung, höchstens als Weltschmerz im Life Style Format. Ludwig Schmidtpeters Installation „Balconia Export“, die den exotischen Charme des heimischen Balkons feiert, wirkt wie aus der Wohnzeitschrift. Das Atelier als Denkraum und Labor präsentiert Klaus Harth mit seiner „Atelierhängung“ aus 61 Arbeiten auf Papier. Mit ihren bisweilen pompösen Kommentaren muten die Blätter allerdings eher wie ein an die Wand gehängter Zettelkasten an. Ein absoluter Lichtblick in dieser Schau sind dagegen Anne Harings schöne, der Form und der Materialästhetik verpflichtete Plastiken aus Papier und Zellstoff. Und auch Claudia Vogels klassisch monochrome Arbeiten, in deren Stille sich eine lebhafte Binnenstruktur verbirgt, machen die Schau sehenswert. Einleuchtend präsentieren sich auch Susanne Schmidts „Lichtinszenierungen“. Neben den Künstlern in der Tufa sind in der Galerie Junge Kunst Arbeiten von Petra Jung und Leslie Huppert zu sehen.

Ach ja, normalerweise sollte man über sowas ja locker und entspannt hinwegschauen. So wie die Rezensentin locker und entspannt über die Arbeiten hinweggeschaut zu haben scheint. Da scheint jemand mit einer gewissen Erwartungshaltung in die Ausstellung gegangen zu sein, die dann relativ schnell enttäuscht wurde. So kann man sich natürlich auch Ausstellungen anschauen. Man kann aber auch, im klassischen Sinn des altgriechischen αἴσθησις aísthēsis „Wahrnehmung“, „Empfindung“, woher sich das Wort Ästhetik schließlich ableitet, erst einmal hinsehen, wahrnehmen, beschreiben und dann interpretieren und bewerten. Machen wir es aber kurz, so wie es auch in der Kritik kurz gemacht worden ist: Vera Kattler = Fleißarbeit und fertig. Wenn man hinschaut, dann sieht man aber zweierlei, nämlich einerseits die sensible Vorgehensweise auf jedem einzelnen Blatt. Eine Sensibilität im Kleinen und Individuellen sozusagen. Und desweiteren das Übertragen dieser Sensibilitäten in die Zeit, die sich hier als Masse von sehr ähnlichen, aber doch niemals gleichen Blättern widerspiegelt. Ich denke mal, auch Hanne Darboven wäre für die Rezensentin eine Fleißarbeiterin. Weiter im Text: die Arbeit von Ulrich Behr als formal belanglos abzutun, weder als Zeitkritik noch als ironische Brechung tauglich, halte ich auch für einen Schnellschuss, wenn man das in diesem Zusammenhang so sagen darf. Die als Handschmeichler daherkommenden, schon durch Haptik und Geruch sehr sinnlich wirkenden hölzernen Formen, die sich als Pistoletten entpuppen, Holzspielzeuge der Waldorfpädagogik anklingen lassen, und sich unentwegt drehend gegen und miteinander positionieren, wären mir als anbivalentes Spiel mit all diesen Bezugsfeldern durchaus vielschichtig und andeutungsreich genug. Man ertappt sich dabei, dass man sie in die Hand nehmen will (und es auch tut) und darüber erschrickt. Man erinnert sich, wie man als Kind an Fastnacht mit Pistolen gespielt hat und es heute dann doch bedenklich findet. Oder vielleicht nicht? Muss ja auch nicht alles gleich Zeitkritik und ironische Brechnung sein, erinnere mich auch nicht, dass das irgendwer so benannt htte. Weiter: Hätte die Rezensentin Arthur C. Danto gelesen, dann wüsste sie, dass nichts unbedingt das sein muss, nach dem es aussieht: eine Brillo-Box und eine nachgebaute Brillo-Box sind nicht dasselbe, auch wenn sie formal keinen Unterschied machen. Ein Fettstuhl von Helaine Sturtevant ist nicht der Fettstuhl von Beuys und hat auch eine andere inhaltiche Bedeutung, sieht aber genauso aus. Und ein nachgebauter Balkon ist halt eben keine Verdreidimensionalisierung einer Abbildung aus einer Wohnzeitschrift. Gut findet sie dagegen alle Arbeiten, die man relativ schnell ohne näher hinzusehen auch als gut empfinden kann. Was die Arbeiten ja nicht schlecht macht. Klassisches und grundsolides Arbeiten mit Form und Material, dagegen ist nichts zu sagen, das kann dann aber auch eine durchschnittliche Rezensentin ohne näher hinzuschauen gut finden. Was meine eigene Wenigkeit angeht: Mit dem Begriff des Zettelkastens kann ich ganz gut leben, was meine kleinen Texteinschübe „pompös“ macht, bleibt mir aber ein wenig unklar. „Die Überprüfung des Dorfplatzes“ ist ein pompöser Titel?? „Aus dem Leben des Schnürchenhalters“? Hä?

Das reicht jetzt auch. Laut Canetti gibt man ja keine Ruhe, bis man einen erhaltenen Stachel weitergegeben hat. Ich gebe ihn hiermit einfach mal ein bisschen zurück.

jetzt, 2017

Unter www.utethiel.de findet sich unter dem Reiter „aktuell“ ein Projekt, das ich der näheren Betrachtung unbedingt anempfehlen möchte. (Was ich zum Start des Projektes aber, glaube ich, auch schon mal getan habe).

Parallel zur documenta in Athen und Kassel stellt Ute Thiel dort für jeden Tag ein Foto ein. Parallel dazu finden sich mit der Zeit auch Zitate und Texte.

Eben nach Mittagschlaf den Rechner angeschaltet, obwohl ich mir eigentlich einen Mokka machen wollte.
Und dann ganz lange im „jetzt, 2017“ hängen geblieben.
Vom letzten Eintrag bis zum ersten Eintrag rückwärts Fotos gesehen, Texte gelesen.
Eigentlich fehlen mir die Worte, das auszuloten und meine Begeisterung angemessen auszudrücken über das, was hier gelingt.
So beiläufig all diese Themen anzukicken.
Von der alltäglichen Beobachtung (und hier halten sich dann bildnerische und sprachliche Reflexionen in der Waage) zu Profundem vorzustoßen, und dann wieder den Schlenker zurück zum Abendessen mit MC Escher.
Da kann man lesen und gucken und nachdenken und hängenbleiben und hat eigentlich gar keine Lust mehr, den Rechner auszuschalten.
Man wünscht es sich als Buch, damit man es auch im Liegen lesend und betrachtend genießen kann.
Natürlich ist es gut, dass man weiß: geht die documenta zu Ende, dann findet auch dieses Projekt seinen Abschluss.
Das ist, denke ich, wichtig.
Aber man könnte da auch ewig zuhören, zusehen und mitlesen.
Bei all den Fragen, was nun wichtig ist oder unwichtig, bedeutend oder unbedeutend: hier ist etwas, was zumindest mich berührt, und ich könnte mir vorstellen, dass das auch anderen so geht.
(In meinem Geschimpfe über die diesjährige Landeskunstausstellung habe ich rumgemotzt über Kunst, die nach Kunst aussieht. Und natürlich steht die Gegenfrage im Raum: was kann es denn anderes geben? Ich finde, dieses Projekt von Ute Thiel ist ein solches, für mich gelungenes Beispiel: sieht aus wie eine Sammlung von Fotos, teilweise sogar Schnappschüssen und ein paar Texten dazu, wenn man aber hinguckt und liest und es kapiert, dann entsteht hier große Kunst, beiläufig, aber tiefgreifend, leicht und bedeutend, schöpfend aus Beobachtung, Erfahrung und Leben.)

kritik

Uwe Loebens „FRESSEN“ im Saarländischen Künstlerhaus.

Uwe Loebens ist einer der wenigen saarländischen Künstler, die sich was trauen. Im Vergleich stimmt das sogar. Allerdings sieht Uwe Loebens schlecht. In der Tat. Das heißt: Wenn er einem auf der Straße begegnet, dann macht er meist ein ausgesprochen verdrießliches Gesicht, um das mal potitiv auszudrücken. Er zieht eine Fresse, so könnte man das etwas weniger freundlich ausdrücken. Viele fürchten ihn wegen dieser Äußerlichkeiten und ob seiner Kommentare zu Ausstellungen von Kolleginnen und Kollegen. Und der Titel FRESSEN bezieht sich nicht auf die Tätigkeit der Nahrungsaufnahme. Das schlechte Sehen führt dann, ebenso wie FRESSEN als Nahrungsaufnahme zu den Kernproblemen dieser Ausstellung. Hier hat jemand ein festgefügtes Bild von der Welt (kein nettes und freundliches, was ja auch im Anbetracht der Welt durchaus nachvollziehbar ist), das er vor uns ausbreitet: Sehet her wie schlecht doch alles ist! Alles Arschlöcher und FRESSEN! Und DU auch! Nur ist dieses Weltbild bei Uwe Loebens seit vielen Jahren unverändert dasselbe. Und dabei völlig ungetrübt von durch Beobachtung der Wirklichkeit abgeleiteter Erkenntnisse. Das erinnert einerseits ein bisschen an Stammtisch. Und andererseits gehe ich aus der Ausstellung und bin nachher so klug als wie zuvor. Hier kotzt einer sein Weltbild raus. Immer wieder und immer wieder. Vomitismus. Und: Kennst du ein Bild, kennst Du alle. Wenig interessante Erfindungen, viel fast einfallslos zu nennende Wiederholungen. Klar: Es ist ja auch immer dieselbe Kotze einer einmal vor Jahren gefressenen Weltverachtung. Wenn ich aber jemandem beim Kotzen zugucke und immer nur dieselben Brocken kommen, dann ist das tatsächlich nur mäßig beglückend. Man will dann schon jemand wirklich leiden sehen. Und auch das passiert hier in keinstem Fall. Das wär wenigstens was: wirkliches Rausgekotze! Extase! Wut! Das Rausgewürge kommt dann doch alles in allem ästhetisch ein wenig zu geleckt. Gedankliche Bewegung? Fehlanzeige (wer denkt schon beim Kotzen?). Wirklicher Hass und wirkliche Wut? Fehlanzeige. Dafür ist die Haltung des Anklagenden, der sowieso schon vorher weiß, wie die Welt funktioniert, allzu wohlfeil. Dann vielleicht doch nur Illustrationen einer unverbrüchlichen Weltsicht? Uwe leidet an uns, das wird klar, aber was jetzt?

Ich muss an die Bemerkung von Horst Janssen denken, der Goyas „Desastres de la Guerra“ heraushebt, weil sie, wenn ich das halbwegs recht verstanden habe, eben nicht plakative Antikriegspropaganda sind, sondern von der Beobachtung leben, vom Gesehenen, das mit  zeichnerischen Mitteln dargestellt und verarbeitet werden muss. Ein eher absichtsloses Tun, das die Schrecken tatsächlich zeigt und keine absichtsvolle Zurschaustellung.

FRESSEN begegnen einem tatsächlich jeden Tag eine Menge auf der Gasse. Aber allein schon der Titel der Ausstellung zeigt die Überheblichkeit des festgefügten Feind- und Weltbildes.

Blatt 22 fand ich übrigens interessant. Hier passiert formal etwas mit dem Gesicht, das den Blick ein wenig festhakt und bannt.

Uwe Loebens traut sich was. Indeed. Aber vielleicht will er dann doch, alles in allem, zuviel Kunst machen. Und er denkt zu wenig.

Und er guckt nicht hin. Er will nicht die Welt verstehen, sondern sie uns erklären.

 

jahresrückblick – 1

Das mit Abstand unmotivierteste und uninspirierteste Buch, das mir (in diesem Jahr auch eine Neuerung: ich bin nämlich seit diesem Jahr zum erstenmal in meinem Leben mangels ökonomischer Mittel zum Bibliotheksleser geworden) in diesem Jahr in die Hände gefallen ist: Unruhezone von Jonathan Franzen. Die einzig interessante Passage darin ist die, wo er sich über die Cartoons von Charles M. Schulz auslässt. Das ist wirklich interessant und teilweise erhellend. Der Rest ist Schweigen. Da stelle ich mir einen sehr amerikanischen Durchschnittsmenschen vor, der eine sehr amerikanische Durchschnittsjugend verlebt hat und ziemliche Durchschnittsdinge getan hat. Vielleicht fängt man manchmal auch einfach mit dem falschen Buch an.

titel-bild-kritik

Heute morgen auf der ersten Seite der Saarbrücker Zeitung das Foto eines niederländischen sogenannten Supermodels, das am Strand Müll aufsammelt und obdessen gelobt wird. Dieses Foto zu betrachten ist recht lohnenswert, denn es zeigt den Lug- und Trughudeleicharakter der abgebildeten Wirklichkeit. Das Model lächelt uns an, hat eine kleine Papiertüte mit etwas farbigem Abfall darin. Das ganze wirkt so niedlich, dass man sich kaum vorstellen kann, das man mit so einer Tüte mehr als fünf gedankenlos hingeworfene Banananschalen aufsammeln kann. Außerdem wäre das Papier auch ratzfatz durchgeweicht (man bedenke: Strand). Zweitens: Das Model lächelt den Betrachter an und hat die rechte Hand am Boden, als wäre da was zum Aufsammeln: isabernicht! Da ist nix! Guck hin!! Absolut niente!!! Da ist nur eine Hand am Boden. Und die greift noch nicht mal nach irgendwas. Hängt da nur so rum. Drittens: Der ganze Strand ist komplett abfallfrei. Entweder hat die Gute schon mehrere Stunden fleißg gearbeitet (siehe aber auch: kleine Papiertüte) oder das ist jetzt wirklich eine Stelle, wo man fix fertig ist. Viertes: In diesen Schuhen und in diesem Kostümchen würde ich noch nicht mal bei schönem Wetter am Strand spazieren. Fünftens: Verarschen können wir uns selbst.

Wie hat mal ein höherer technischer Abteilungsleiter der Mainzer Allgemeinen Zeitung (für die ich mal knapp über ein Jahr als Reprofotograf gearbeitet habe) zu mir gesagt: Bei größeren und guten Zeitungen gibt es so etwas wie Bildredakteure.

Muss ja nicht jeder haben, aber ein wenig gedankenvoll bei der Arbeit sein und nicht auf der ersten Seite Müll-Fotos verkaufen, das wäre schon auch mal was. Lustig war`s auf jedenfall anzuschauen. So engagiert sich ein bekanntes niederländisches Model für den Umweltschutz.

Und jetzt Computer ausgeschaltet, in den SUV gesprungen und in den Bio-Markt zum Einkaufen! Schließlich ist Samstag.

kritik

Andrea Neumann in Neunkirchen. Was hab ich mich so schwer getan mit dieser Präsentation. Zwiegespalten. Einerseits geht man da durch und denkt: was für eine geile Malerei, Auflösung der Formen und und und. Und andererseits bleibt es schal und macht mich fast wütend: um was geht es hier eigentlich? Du gehst durch und nichts bleibt haften. Ich für meinen Teil werde sogar fast wütend, weil die Bilder dich anlügen, sie tun so, als ginge es um etwas, aber es geht eigentlich um nichts, außer um malerische Effekte. Cathrin Elß-Seringhaus von der Saarbrücker Zeitung lobhudelt bis zum Umfallen. Sie mag das: Projektionsflächen für den Betrachter, die Dich optisch umschmeicheln und somit nicht den Hauch eines Gedankens fordern oder sogar dich als Betrachter fordern. (Vielleicht ist das auch falsch beobachtet: Vielleicht sucht sie ja auch Bilder, die es ermöglichen, sich weiter an den eigenen,sowieso bereits vorhandenen Gedanken und Beobachtungen aufzugeilen, sich bestätigt zu fühlen, anstatt vielleicht auch mal ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden…) Vielleicht ist das der ideale Ausdruck unserer Zeit? Ich bekenne mich zu gar nichts, alles ist mir Mittel zum eigenen Spiel, aber eigentlich nehme ich die Dinge nicht ernst. Musik als Klang-Design. Kunst als Kunstdesign. Dabei funktioniert es sogar teilweise, wenn man sich ein beliebiges Bild herauspickt und sich den Rest der Ausstellung wegdenkt. Ein einzelnes Bild, sich vorgestellt in einem Museumskonzext mit anderen Werken anderer Menschen: da kann ich mir sogar denken, dass dann das einzelne Bild funktioniert. Aber wenn sie alle zusammen hängen, dann nehmen sie sich gegenseitig was, sie eliminieren sich, die Masche wird deutlich und alles ist an der selben Nadel gestrickt. Kein Wagnis, keine existientielle Wucht, kein Mut zum Bruch: alles ordentlich gemalt und ohne Risiko. Meine Begleiterin hat es schön auf den Punkt gebracht, wo ich wochenlang mit Worten und Sinnsuche hadere: „Eine tolle Malerin, aber sie traut sich nix. Soviel vergeudetes Talent.“

So ein bisschen die Xavier Naidoo der saarländischen Malerei.

(Und dann hat man hier so Leute wie Kurt Emser zum Beispiel, die malen, weil es ihnen um etwas geht, und die bei allen Ausstellungshäusern gnadenlos abblitzen.)

Lang lebe die Kreativwirtschaft!

augenwischen

Es gibt Musik, die verklebt einem so die Ohren, dass man nachher dringend Albert Ayler hören muss oder DEAD WEATHER. Irgendwas, was die Ohren wieder freispült.

Und sowas gibt es auch in der Malerei. Toll, supertoll gemalte Bilder, die einem aber das Hirn verkleistern, die dazu noch so tun, als ginge es um etwas, aber es geht um nichts als Malerei. Das mögen die Leute, denn darin kann man prima schwelgen. Man bekommt was geboten. Und wenn man selbst was im Kopf mit sich rumträgt, dann bietet es prima Projektionsflächen, um alles darin sehen zu können, was man gerne drin sehen möchte. Sogar versteckte Bösartigkeiten und Gesellschaftskritik.

Großartig. Groß und artig. Es bleibt die Erinnerung an großartig gemalte Malerei aber kaum ein Bild bleibt hängen. Ich darf so bleiben wie ich bin. Was will man mehr.