kritik

Uwe Loebens „FRESSEN“ im Saarländischen Künstlerhaus.

Uwe Loebens ist einer der wenigen saarländischen Künstler, die sich was trauen. Im Vergleich stimmt das sogar. Allerdings sieht Uwe Loebens schlecht. In der Tat. Das heißt: Wenn er einem auf der Straße begegnet, dann macht er meist ein ausgesprochen verdrießliches Gesicht, um das mal potitiv auszudrücken. Er zieht eine Fresse, so könnte man das etwas weniger freundlich ausdrücken. Viele fürchten ihn wegen dieser Äußerlichkeiten und ob seiner Kommentare zu Ausstellungen von Kolleginnen und Kollegen. Und der Titel FRESSEN bezieht sich nicht auf die Tätigkeit der Nahrungsaufnahme. Das schlechte Sehen führt dann, ebenso wie FRESSEN als Nahrungsaufnahme zu den Kernproblemen dieser Ausstellung. Hier hat jemand ein festgefügtes Bild von der Welt (kein nettes und freundliches, was ja auch im Anbetracht der Welt durchaus nachvollziehbar ist), das er vor uns ausbreitet: Sehet her wie schlecht doch alles ist! Alles Arschlöcher und FRESSEN! Und DU auch! Nur ist dieses Weltbild bei Uwe Loebens seit vielen Jahren unverändert dasselbe. Und dabei völlig ungetrübt von durch Beobachtung der Wirklichkeit abgeleiteter Erkenntnisse. Das erinnert einerseits ein bisschen an Stammtisch. Und andererseits gehe ich aus der Ausstellung und bin nachher so klug als wie zuvor. Hier kotzt einer sein Weltbild raus. Immer wieder und immer wieder. Vomitismus. Und: Kennst du ein Bild, kennst Du alle. Wenig interessante Erfindungen, viel fast einfallslos zu nennende Wiederholungen. Klar: Es ist ja auch immer dieselbe Kotze einer einmal vor Jahren gefressenen Weltverachtung. Wenn ich aber jemandem beim Kotzen zugucke und immer nur dieselben Brocken kommen, dann ist das tatsächlich nur mäßig beglückend. Man will dann schon jemand wirklich leiden sehen. Und auch das passiert hier in keinstem Fall. Das wär wenigstens was: wirkliches Rausgekotze! Extase! Wut! Das Rausgewürge kommt dann doch alles in allem ästhetisch ein wenig zu geleckt. Gedankliche Bewegung? Fehlanzeige (wer denkt schon beim Kotzen?). Wirklicher Hass und wirkliche Wut? Fehlanzeige. Dafür ist die Haltung des Anklagenden, der sowieso schon vorher weiß, wie die Welt funktioniert, allzu wohlfeil. Dann vielleicht doch nur Illustrationen einer unverbrüchlichen Weltsicht? Uwe leidet an uns, das wird klar, aber was jetzt?

Ich muss an die Bemerkung von Horst Janssen denken, der Goyas „Desastres de la Guerra“ heraushebt, weil sie, wenn ich das halbwegs recht verstanden habe, eben nicht plakative Antikriegspropaganda sind, sondern von der Beobachtung leben, vom Gesehenen, das mit  zeichnerischen Mitteln dargestellt und verarbeitet werden muss. Ein eher absichtsloses Tun, das die Schrecken tatsächlich zeigt und keine absichtsvolle Zurschaustellung.

FRESSEN begegnen einem tatsächlich jeden Tag eine Menge auf der Gasse. Aber allein schon der Titel der Ausstellung zeigt die Überheblichkeit des festgefügten Feind- und Weltbildes.

Blatt 22 fand ich übrigens interessant. Hier passiert formal etwas mit dem Gesicht, das den Blick ein wenig festhakt und bannt.

Uwe Loebens traut sich was. Indeed. Aber vielleicht will er dann doch, alles in allem, zuviel Kunst machen. Und er denkt zu wenig.

Und er guckt nicht hin. Er will nicht die Welt verstehen, sondern sie uns erklären.

 

4 Antworten auf „kritik“

  1. Danke, Klaus, für Deine kritische Auseinandersetzung der Ausstellung von bemalten Papieren des Herrn Dingens (ich vergesse selten einen Namen, aber hier mache ich eine Ausnahme). Ich habe auch keine Ahnung von Kunst und verstehe es auch nicht, eine Botschaft in die Welt zu posaunen. In Ansätzen sah ich, das Herr Dingens gut zeichnen kann. Auch das kann ich besser vertuschen. Habe ich damit auch Chancen auf eine Ausstellung?

  2. Hallo Ekkehard, da machst Du ganz viele Fässer gleichzeitig auf. Und fast komme ich in Verlegenheit, die Ausstellung, die ich als Ausstellung für nicht gelungen halte, dann doch noch zu verteidigen, zumindest ihren Urheber.
    Wie gesagt: Ich halte Uwe Loebens für einen der interessanteren Künstler hier, der sich dazu auch noch was traut. Im Gegensatzpaar zwischen Anpassung und Wagnis, tendiert er eindeutig zum Wagnis. Und das wäre ihm erst einmal hoch anzurechnen. Keiner, der faule Kompromisse macht.
    Was ich bei dieser Ausstellung aber vermisse, ist eine Haltung, die die Dinge und sich selbst in Frage stellt. Eine Haltung, die einem nicht zum x-ten Male die altbekannten Versatzstücke eines in der Ablehnung gefestigten Weltbildes präsentiert. Eine Ausstellung, aus der ich anders rausgehe, als ich reingegangen bin. Weil ich die Dinge jetzt anders sehe. All das vermisse ich hier.
    Was das Formale angeht: Ich wünschte es mir noch ein vielfaches radikaler. Es ist mir, alles in allem, vielleicht dann formal doch zuwenig Wagnis und zuviel wohltemperiertes Gespritze und Geschmiere. Das ist ein bisschen so, als wenn ich Punk auf dem Flügel spiele, selbst wenn ich ihn traktiere, bleibt der Klang immer wohlgefärbt.
    Das Formale sollte dem Inhaltlichen entsprechen.
    Deshalb suche ich in Ausstellungen ja auch nicht den tollen Zeichner, den umwerfenden Maler oder sonst irgendwas zum Bewundern.
    Das finde ich extrem langweilig.
    In Ausstellungen suche ich Auseinandersetzung und Interpretation von Realität, Erkenntnis und Erweiterung meiner eigenen Sichtweise.
    Und es ist die Aufgabe des Künstlers, der Welt die eigene Sicht entgegenzuhalten, von mir aus entgegenzuschleudern.
    Deshalb gehe ich aus diesen FRESSEN raus und denke: Die Welt ist böse. Hammer schon gewusst. Und jetzt?

    Chancen auf eine Ausstellung hat man dann, wenn es jemand gibt, der einem zugesteht, dass man da etwas zu zeigen und zu sagen hat, und der dies zeigen will. Manchmal gar nicht so einfach, so jemanden zu finden.
    Das hat also erstmal gar nichts mit Supertalent oder Ich-rotz-Euch-jetzt-was zu tun, sondern damit, ob ich damit irgendjemanden anspreche und berühre oder nicht.
    Bei den Sängern und Schauspielern ist das manchmal ja auch sehr interessant: nicht unbedingt diejenigen, die am besten die Texte auswendig lernen können, sind die besten Schauspieler. Sondern vielleicht die, die irgendeine Tonlage in der Stimme haben, die einen existentiell berührt. Nicht diejenigen, die wissen, wie man Texte baut, sind die besseren Schriftsteller, sondern diejenigen, die etwas zu sagen haben. Und und und.

  3. Danke, Klaus, für Deine Sicht als Künstler auf diese Ausstelling. Sie weicht ja nicht von meiner als „normaler“ Besucher ab. Ich habe mal einen Spruch gelesen: „Die Aufgabe der Kunst ist es auch, Chaos in die Ordnung zu bringen.“ Da stimme ich voll zu. Aber (ohne Dir schmeicheln zu wollen und doch tue ich es), wenn ich das von Dir gestaltete Bild mit dem Tiefflieger in idyllischer Landschaft vor Augen habe, dann wird mir eine Botschaft, die ich verstehe, in künstlerisch-handwerklich bester Art vermittelt. Kritisch. Und das habe ich bei dieser Ausstellung vermisst. Bei mir ist durch das, was auf den Blättern zu sehen war, keine „Botschaft“ des Künstlers angekommen. Ich bin raus ( oder besser „wir“ – wir waren zu viert in der Ausstellung), kopfschüttelnd, dass das Künstlerhaus einschließlich des Vorwortes im Begleitheft, dieser Ausstellung eine solche Plattform (oder heißt es „Blattform, oder platt Form“?) bietet. Und da sage ich: Nein! Und gestern sagte die allerbeste aller Ehefrauen zu mir, wir hätten schon viele Ausstellungen besucht, aber über keine hätten wir so viel gesprochen, wie über diese (blöd, ne?)! ABER WEIL SIE SO SCHLECHT WAR!!!!, habe ich geflüsterte!

  4. Manchmal sind „schlechte“ Ausstellungen besser als „gute“. Man muss einfach mehr darüber nachdenken, warum etwas funktioniert, bzw. nicht funktioniert. Und das kann einen dann durchaus weiterbringen.

    Was meine „gegend“ mit dem Flugzeug angeht: Dein Statement dazu hat mich bereits bei der Ausstellungseröffnung gefreut. Was gibt es Besseres, als wenn Dir jemand sagt, dass sich das Bild im Gedächtnis festsetzt!

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