eisern

Der Mainzer Kunstverein Eisenturm, der sich immer wieder mit fragwürdigen Ausschreibungen hervortut, lobt seinen 26. Mainzer Kunstpreis Eisenturm zum Thema „Kollaps der Moderne“ aus.
Ich zitiere:
„Kollaps der Moderne. Eine Epoche auf dem künstlerischen Prüfstand. Technik: Malerei.

Steht der Begriff der Moderne immer noch für Innovation, Aufbruch, Zeitgeist, Fortschritt, Erneuerung – Avantgarde? Oder ist er zum eineingenden Korsett und Dogma erstarrt und reflektiert den Pluralismus unserer Gesellschaft nicht mehr? Wie sehen Künstler die momentane Diskussion, die mittlerweile einen Großteil der gestalterischen Erzeugnisse der Zeit nach 1045 erfasst hat? …“

Häh????

Ich erinnere mich, dass zu Beginn der 80er Jahre mit dem Aufkommen der sogenannten Neuen Wilden und der Transavangardia plötzlich die Rede war von der sogenannten Postmoderne in der Bildenden Kunst. Das deckt sich zeitlich nicht unbedingt mit vergleichbaren Phänomenen in anderen Bereichen, wo dieser Begriff auch verwendet worden ist. Das war ungefähr ziemlich genau vor 33 Jahren oder so.
Das Ende der Moderne wurde damals bereits postuliert und die Beliebigkeit der Postmoderne war ein beliebter Diskussionsgegenstand während meines Studiums, und das ist jetz auch schon wieder 20 – 25 Jahre her (und ich habe spät damit angefangen).
Also kann eigentlich nicht davon gesprochen werden, dass heute jemand sich „in der Moderne“ bewegt und artikuliert und wenn man sich die Bienalen anguckt oder regelmäßig mal ins Kunstforum guckt, dann wird dort der Pluralismus der Gesellschaft auff’s Schönste und wunderbar Unübersichtlichste abgebildet.
Gucken die in Mainz nur ZDF oder was?
Wie sehen Künstler die momentane Diskussion, die mittlerweile einen Großteil der gestalterischen Erzeugnisse der Zeit nach 1045 erfasst hat? -> Ehrlich gesagt, diesen Satz verstehe ich überhaupt nicht, welche Produktion seit 1945 ist hier gemeint, zwischen Informel, Zero, Pop, Fluxus, Konzept und und und und? Und von welcher „momentanen Diskussion“ ist hier die Rede? Hab‘ ich da was verpasst?

Au backe.

Wie sagte schon Konfuzius: Es geht um die Richtigstellung der Begriffe.

6 Antworten auf „eisern“

  1. 1045!!!!

    endete die kulturelle aktivität in mainz???

    oder
    wie
    war
    das????

    nein, ernsthaft: es hängt an: UNS!, dass es JETZT weiter geht.
    Bitte bewirb Dich!

    herzlich,
    ute (müde, aber:)

    – gibt nicht: auf! –

  2. 1045 war natürlich ein Tippfehler meinerseits. Aber wenn es sowas wie freud’sche Tippfehler geben sollte: bitteschöööön!

  3. Zieht sich wie Kaugummi, die Moderne. Alle wollen immer modern sein. Auch die um 1045 geborenen waren modern. Auf der Höhe ihrer Zeit.

  4. hab schon jahrelang kein Kaugummi mehr gekaut, schlechte Erfahrungen mit den Plomben…und was Moderne und Postmoderne und so angeht: ich bin noch nicht mal mehr bei der Post-Bank!

  5. Bezieht sich das Thema der Ausschreibung denn nur auf moderne Kunst? Sicher nicht. Im ganzen Leben in allen Bereichen ist der Mischmasch des Modernen mit dem Altmodischen aktuell, oder?….

  6. Bin mir nicht sicher, ob ich den Kommentar richtig verstehe. Aber die Ausschreibung verstehe ich zumindest so, dass sie sich an zeitgenössische Artisten wendet, die also aktuell sich ihrer Arbeit verpflichtet fühlen. Natürlich war es schon immer so, dass sich alles mit allem vermischt und überall geklaut und bearbeitet wird, was das Zeug hält. Das populär gebrauchte „moderne Kunst“ ist natürlich ein Wischi-Waschi-Begriff. Für meine Oma war irgendwie alles moderne Kunst, was nicht nach Dürer aussah (will meiner Oma hier posthum nicht zu nahe treten, aber der Verdeutlichung halber diese Zuspitzung). Die „Moderne“ aber ist ein in der Kunst- und Literaturgeschichte durchaus gebräuchlicher Begriff mit halbwegs klarer Begrenzung. Beginnend in etwa mit Impressionismus und führend durch die ganzen Ismen bis in etwa Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Dann gab es die sogenannten „Neuen Wilden“ in Deutschland und in Italien die Bewegung der „transavangardia“, die sich explizit von der Strenge der Moderne abgewendet haben, und ohne weiteren konsequenten intellektuellen Ballast wieder ihrem freien Spieltrieb folgen wollten und dies auch taten. In der Architektur wurden Museen gebaut wie das Frankfurter Museum für Moderne Kunst oder die Bonner Bundeskunsthalle, die diesem Befreiungsschlag auf architektonischem Gebiet folgten. Das Wort von der Postmoderne machte die Runde und wurde zum stehenden Begriff. Diese Nach-Moderne stand unter dem Vorwurf, dass plötzlich wieder „alles möglich“ sei, und sofern die Aussage und Wertigkeit der Kunst darunter leide und verwässert werde. Wenn alles geht, dann ist nichts wirklich wichtig. Und insofern fand ich die Ausschreibungsformulierung obsolet: heute kann keiner mehr modern sein, weil die Moderne vorbei ist. Genausowenig kann heute keiner mehr Impressionist sein, weil der Impressionismus vorbei ist. Man kann zwar seine Bilder mit Farbtupfern aufbauen und den Lichterscheinungen frönen, wie es die Impressionisten taten, man tut dies aber aus einer anderen Zeit heraus, man greift auf etwas zurück, was schon da war, und benutzt es wie eine Sprache, die halt zur Verfügung steht. Man kann einen Mond in eine Abendstimmung mit Bäumen pinseln, aber von dem Gefühl, das die Romantiker anfang des 19. Jahrhunderts prägte, wird man zwangsläufig meilenweit entfernt bleiben, auf immer, was auch durchaus richtig ist. Und wichtig ist. Denn unsere Zeit fordert andere Antworten. Und die können keine Antworten der „Moderne“ sein, auch keine mehr der „Postmoderne“, die ja eigentlich auch schon vorbei ist. Was jetzt folgt, das muss sich erst noch finden. Übrigens ist dies ein ganz normaler Wechsel, der sich in der Kunstgeschichte immer wieder findet. Auf die Erfindungen der Barock folgte eine weniger innovative Zeit des Manierismus. Auf die Romantik das Biedermeier. Auf jede strenge Folge eines Entdeckens und Eroberns die Zeit des Ausbeutens, Verdauens und Verwässerns. Deshalb ist in unserer Zeit ein Mischmasch aktuell. Das stimmt. Aber das hat mit Moderne oder Postmoderne oder sonstwas erstmal nüscht zu tun.

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